ARGEkultur Salzburg Logo
ARGEkultur auf Facebook ARGEkultur auf Flickr ARGEkultur auf YouTube ARGEkultur auf Instagram
Presse • 12.04.2006 • Heidemarie Klabacher, DrehPunktKultur

Zuerst denken, dann reden

Jetzt ist es also so weit, dass Andersdenkende in Salzburg mit verbaler und physischer Gewalt bedroht werden. Derzeit sind es "nur" ein paar Künstler, die von Menschen mit gesundem Volksempfinden, pardon, von Menschen mit verletzten religiösen Gefühlen, beschimpft und bedroht werden. - Aber es gibt in der Stadt sicher auch ein paar Schwule und ein paar Rothaarige. Eine kleine jüdische Gemeinde existiert auch noch.

Der unsägliche Wirbel um das Projekt "ER-Lösung" kommt ein paar Tage zu früh, um auf ein unsägliches Datum zu fallen: Am 30. April 1938 brannten auf dem Residenzplatz die Bücher. Mag es auch - noch - übertrieben sein, wegen einer typisch Salzburgischen "Erregung" gleich die Nazi-Keule zu schwingen, hat sich doch in den Diskussionston der letzten Wochen und Tage ein Klang geschlichen, der Angst machen muss.

Dass Marcus Hank, der Regisseur des Spektakels, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ARGE quasi nur mitgekreuzigt werden, und sich die Hetzer vor allem auf die polnische Künstlerin einschießen, ist symptomatisch. Dabei wurde Dorota Nieznalska von Marcus Hank bloß engagiert: Sie sollte in seinem Konzept unter seiner Regie bei seinem Projekt mitwirken. Wobei? Keiner von denen, die jetzt über die Absage (aus Sorge um die persönliche Sicherheit der Beteiligten) triumphieren, weiß bzw. konnte wissen, wogegen sie eigentlich gehetzt haben: Eine Performance entsteht erst im Augenblick ihrer Realisation.

Ob das, was ausschließlich auf Papier und im Kopf von Marcus Hank existiert hat, am Karfreitag um 19 Uhr - nach der Teilnahme an der Liturgie um 15 Uhr - meine religiösen Gefühle verletzt hätte? Keine Ahnung. "Die Frage, ob diese Performance eine unzumutbare Provokation des christlichen Glaubens darstellt, würde ich erst beantworten, nachdem ich sie gesehen und erlebt habe", sagte die evangelische Superintendentin Luise Müller. Die einzig mögliche Antwort.

Die Podiumsdiskussion zum Themenkomplex "ER-Lösung? Das Kreuz in der Kunst" gestern Dienstag (11.4.) mit Marcus Hank, Barbara Wally und den Theologen Gregor Maria Hoff und Hans-Joachim Sander war wohltuend sachlich und informativ. Auch die Beiträge aus dem Publikum hielten dem Niveau auf dem Podium stand.

Dennoch zeigte sich auch hier, wie schwierig und komplex die Diskussion selbst unter Menschen ist, die prinzipiell Gleiches oder wenigstens Vergleichbares wollen - und sei es nur, einen Abend lang ein kultiviertes Gespräch zu führen.

Wehleidig, ja kindisch ist es, Wissenschaftlern vorzuwerfen, sie übten "patriarchale Definitionsmacht" aus, wenn sie aus Sicht ihrer jeweiligen Fachbereiche Positionen darstellen. Und dem armen Jesus, dem ohnehin übel genug mitgespielt wurde, 2000 Jahre später anzukreiden, dass er als Mann Mensch geworden ist und sich als solcher hat kreuzigen lassen, bringt das Genderthema nicht weiter.

Dass es schwierig ist, miteinander zu reden, wenn verschiedene Fremd-Sprachen gesprochen werden und keine der beiden Seiten den Grundwortschatz und die Kulturkunde der anderen parat hat, ist bekannt. Das hat nichts mit dem Projekt "ER-Lösung" zu tun.

Dieser inhaltlich und emotional überaus komplexe Anlassfall macht nur besonders deutlich, wie wichtig es ist, im Gespräch vom eigenen Standpunkt auch einmal abzusehen und zu verstehen versuchen, was denn die andere Seite eigentlich sagen möchte. - Dass das möglich ist, wurde am Dienstag (11.4.) von den Podiums-Diskutanten im Clubraum der Katholischen Hochschulgemeinde auf anregendem Niveau exemplarisch vorgeführt. - Ein erster positiver Effekt der "ER-Lösung".

Reaktionen auf „ER-Lösung“ in den Medien

© Heidemarie Klabacher, DrehPunktKultur

WWW