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Open Mind Festival 2012

überLeben

„Überleben ist ein Beruf, der gelernt werden muss wie jeder andere“ (Hans Sahl) – erst recht in einer pittoresken Stadt wie Salzburg. Hinter der vermeintlich idyllischen Beschaulichkeit lassen sich Existenzkämpfe von KünstlerInnen wie MigrantInnen, SexarbeiterInnen, der schwindenden Mittelschicht und Mittellosen, von psychisch kranken Menschen und „stabilen“, jungen und alten, der Demokratie im Allgemeinen und der Toleranz im Speziellen besonders gut verstecken. Und alle sind auf der Suche nach demselben „Glücksprinzip“ – wie unser (Über)Leben organisieren?

Der Kunst kommt dabei seit jeher eine besondere Rolle zu, sowohl wegen ihres Aspekts der Unvergänglichkeit als auch aufgrund ihrer lebenserhaltenden Funktion neben Nahrung, Wasser und Schutz; nicht zuletzt sind die „ÜberlebenskünstlerInnen“ die nun großteils unfreiwillige Bohème des Turbokapitalismus und seiner Folgen, die auch vor der Mozartstadt nicht Halt machen.

Das Open Mind Festival 2012 möchte einen Blick hinter die Fassaden auf die jeweils Betroffenen werfen, durch unterschiedliche künstlerische wie theoretische Herangehensweisen zum Thema „überLeben“ eine differenzierte Auseinandersetzung aus verschiedenen Blickwinkeln, mit gesellschaftspolitisch relevanten Fragestellungen dazu, möglich machen.

Wir tun, was wir können. Die ARGEkultur als Ort des politischen Diskurses und Spiegel gesellschaftlicher Realitäten bricht diesen mit den Mitteln der Kunst. Die Dramaturgie des heurigen Festivals ist bestimmt von der mit der Garage X koproduzierten Theateraufführung „Karte und Gebiet“ nach Michel Houellebecq, die im Rahmen des Open Mind Festivals zur österreichischen Erstaufführung gelangt. Der mit dem Prix Goncourt ausgezeichnete Roman verhandelt alle essenziellen Themen des Menschseins: die Kunst, das Geld, die Arbeit. Die Liebe, das Leben, den Tod. Ob Fortpflanzung, zwischenmenschliche Beziehungen, Sterbehilfe, Gewalt oder der pervertierte Kunstmarkt – alles ist endlich, einzig die Natur wird den Menschen überleben.

Davon werden auch Vierkanttretlager, die mit ihrem Debütalbum „Die Natur greift an“ erstmals live in Salzburg zu erleben sind, nicht nur ein Lied singen. Weitere musikalische Höhepunkte werden die Auftritte von Stereo Total und Peaches sein, die gemeinsam mit Sawoff Shotgun und Sunae Solar einen Abend unter dem Titel „Die Frau in der Musik“ bestreiten; pro verkauftem Ticket gehen dabei vier Euro an die einzige Streetworkerin für Sexwork in Salzburg, die den Spendenerlös für ihre Arbeit einsetzt. Leisere Töne wird Saedi, Aushängeschild der österreichischen Pop- und Electronic-Szene, anschlagen, wenn sie Mathias Illigen bei der Lesung aus seinem autobiographischen Roman „Ich oder Ich. Die wahre Geschichte eines Mannes, der seinen Vater getötet hat“ begleitet.

Im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut gehen auch die Bilder von Kimm Saatvedt, der Überlebende des Attentats von Utøya fotografiert hat, die sich als Zeichen des ewigen Erinnerns tätowieren ließen; zu sehen in einer Ausstellung während der gesamten Festivaldauer im Foyer der ARGEkultur.

Mehrere Tage lang wird die Salzburger Choreographin Lisa Hinterreithner mit ausgewählten KünstlerInnen in einer zum Teil frei zugänglichen Werkstatt im Unipark arbeiten, um das in Zeiten der Finanzkrise effektivste Werk im zeitgenössischen Tanz zu präsentieren: „Posters“. „Copyright und Copyleft“, ein Workshop sowie eine Podiumsdiskussion, beides in Kooperation mit mica, greifen ebenfalls die Frage auf, inwieweit Kunst von ökonomischen Zwängen determiniert ist bzw. inwieweit sich Kunst einer kapitalistischen Verwertungslogik entziehen kann.

Was die Hintergründe dafür sind, dass der österreichische Staat trotz schrumpfender Erwerbsbevölkerung, Überalterung der Gesellschaft und Fachkräftemangels ein Drittel der hier lebenden MigrantInnen unter ihrer Qualifikation beschäftigt und welche Exit-Möglichkeiten aus dieser Situation bestehen, wird in der Diskussion und im Workshop „Anerkennung statt Dequalifikation“ erörtert.

Dass es kaum eine bessere Form gibt als Humor, um mit dem Leben fertig zu werden, beweisen Austrofred und Didi Neidhart, wenn sie ihrer Doppelconférence „Reborn to be Alive“ die Untoten des Pop auferstehen lassen. Auch Christoph Schlingensief und sein Vermächtnis in Form des Operndorfes in Burkina Faso werden filmisch zu Gast sein. Und für alle noch an der Allianz von Kunst und überLeben Zweifelnden bietet „Level Zero“ völlig unseriöse Coachingeinheiten an.

Wie auch in den vergangenen Jahren wird das Festival vom Open Mind Magazin begleitet, das nicht nur die Programmpunkte ausführlich vorstellt, sondern weiterführende Aspekte durch die Beiträge von GastautorInnen wie Klaus Nüchtern oder Reinhard Haller thematisiert. Ab Oktober wird zudem ein Festivalblog dem Publikum die Möglichkeit bieten, Inhalte zu vertiefen, zu kommentieren und zu diskutieren.

„Die Frage heute ist (nämlich), wie man die Menschheit überreden kann, in ihr eigenes Überleben einzuwilligen.“ (Bertrand Russell)

Cornelia Anhaus, Kuratorin Open Mind Festival

Sujet Open Mind Festival 2012

Open Mind Festival 2012 - Magazin

Das Festival wird auch heuer wieder vom Open Mind Magazin (PDF) begleitet, das nicht nur die Programmpunkte ausführlich vorstellt, sondern weiterführende Aspekte durch die Beiträge von GastautorInnen wie Klaus Nüchtern oder Reinhard Haller thematisiert. Zudem wird ein Festivalblog dem Publikum die Möglichkeit bieten, Inhalte zu vertiefen, zu kommentieren und zu diskutieren.

Programm 2012

15.-25.

November

Foyer

Kimm Saatvedt "Recalling Utoya"

Das Leben nach dem Tod. Fotoausstellung.

15.-17.

21.-25.

November

19:00-22:00

Level Zero

Überleben Sie Ihr persönliches Lift-Ding! Coaching-Einheiten zu jeder vollen Stunde.

15.

November

Koproduktion
19:30 / Saal

"Karte und Gebiet" nach Michel Houellebecq

Eine Produktion der Garage X in Koproduktion mit der ARGEkultur Salzburg. Österreichische Erstaufführung. Inszenierung: Ali M. Abdullah

22:00 / Saal

Vierkanttretlager "Die Natur greift an"

Festival-Premierenparty mit der Wachablöse des deutschen Indierock. Support: Kollektiv Tanzbar, DJ-Set.

16.

November

Koproduktion
19:30 / Saal

"Karte und Gebiet" nach Michel Houellebecq

Eine Produktion der Garage X in Koproduktion mit der ARGEkultur Salzburg. Österreichische Erstaufführung. Inszenierung: Ali M. Abdullah

15:00 / Unipark

"Posters" lädt ein zur offenen Werkstatt

Idee, Prozess, Diskurs, Zwischenstand in Kommunikation mit Lisa Hinterreithner, Chris Standfest & KünstlerInnen. Eine Kooperation mit dem Institut für Tanzwissenschaft der Universität Salzburg.

19:00 / Studio

Anerkennung statt Dequalifizierung

MigrantInnen-Kompetenzen (an)erkennen & fördern. Diskussion mit Anja Hagenauer, Mümtaz Karakurt und Thomas Pfeffer. Moderation: August Gächter

17.

November

Koproduktion
19:30 / Saal

"Karte und Gebiet" nach Michel Houellebecq

Eine Produktion der Garage X in Koproduktion mit der ARGEkultur Salzburg. Österreichische Erstaufführung. Inszenierung: Ali M. Abdullah

11:00 / Seminarraum 1.OG

Integration mit Mehrwert

Anerkennung von Talenten & Qualifikationen. Workshop für MigrantInnen-Beratungsstellen im Arbeitsmarktkontext.

18.

November

11:00 / Studio

"Der Humanismus des melancholischen Monsieur Michel H."

Literatursalon. Klaus Nüchtern (Falter) und Ali M. Abdullah (Garage X) im Universum des Enfant terrible der französischen Literaturszene, Michel Houellebecq.

20.

November

19:00 / Unipark

Up. / Lisa Hinterreithner "Posters" Präsentation

Mit Julius Deutschbauer, Lisa Hinterreithner, Andrea Maurer, Linda Samaraweerová & Doris Stelzer. Eine Kooperation mit dem Institut für Tanzwissenschaft der Universität Salzburg.

21.

November

20:00 / Studio

Mathias Illigen "Ich oder Ich" / Musik: Saedi

Die wahre Geschichte eines Mannes, der seinen Vater getötet hat. Ein musikalisches Literatur-Programm.

22.

November

20:00 / Studio

Austrofred & Didi Neidhart "Reborn to be Alive"

Die Untoten des Pop. Lesung, Palaver & Powerpoint Lecture, anschließend Schallplattenunterhaltung.

23.

November

20:00 / Studio

"Knistern der Zeit – Christoph Schlingensief und sein Operndorf in Burkina Faso"

Ein Film von Sibylle Dahrendorf. Anschließend Claus Philipp (Stadtkino Wien) im Gespräch mit der Regisseurin.

24.

November

20:30 / Saal

Stereo Total / Peaches DJ Set / Sawoff Shotgun / Sunae Solar

Pro verkauftem Ticket gehen € 4,- an die einzige Streetworkerin für Sexwork in Salzburg, Christine Nagl (Projekt PiA), die den Spendenerlös für ihre Arbeit einsetzt.

25.

November

13:00 / Seminarraum 1.OG

Überleben mit Copyright & UrheberInnenrecht im Musikbusiness

mica Workshop mit Helge Hinteregger & Didi Neidhart.

19:30 / Studio

mica focus "Copyright & Copyleft"

UrheberInnenrecht zwischen Gratiskultur und "geistigem Eigentum". Impulsreferat & Diskussion u.a. mit Helge Hinteregger (mica), Tina Leisch (Filmemacherin) und Huckey (Texta).