BOREOUT | ROHBAU MIT AUSSICHT - ABGESAGT!
Ausstellungszeiten im Kunstraum Fünfzigzwanzig täglich von 13 bis 18 Uhr
Antoni Rayzhekov: BOREOUT
BOREOUT ist eine interaktive audiovisuelle 3-Kanal-Installation, die von der Langeweile beziehungsweise Aufmerksamkeit der Besucher*innen gesteuert wird. Die Installation macht sich eine mobile EEG-Gehirn-Computer-Schnittstelle zunutze, die mit einem elektronischen System verbunden ist, welches Gehirnströme misst und von Künstlicher Intelligenz unterstützt wird. Ist der*die mit einem Gehirnsensor ausgestattete Besucher*in gelangweilt genug, so werden das Bild und die Musik erkennbar und nehmen ihre ursprüngliche Form an. Gleichermaßen werden sie ‚unscharf‘, wenn Interesse erkannt wird. Daher pendeln Bild und Ton zwischen ‚fokussiertem‘ und ‚unscharfem‘ Zustand und lassen den*die Besucher*in in einem ganz bestimmten Stand-by-Modus zurück.
Das Projekt BOREOUT untersucht Affective Computing, eine neue Art der Nutzung von Technologie fürs kognitive Kunstschaffen. Affective Computing ist ein relativ neues, interdisziplinäres Studiengebiet, das sich über Informatik, Neurologie, Psychologie, Soziologie, Ingenieurwesen und Mathematik erstreckt und von Rosalind Picard entwickelt wurde (MIT, 1997). Es untersucht die Entwicklung von Biosensor-Computersystemen, auch künstliche emotionale Intelligenz genannt, mit denen menschliche Affekte oder eine Reihe bestimmter Emotionen erkannt und interpretiert werden können. Der Einsatz von auf Affekt basierten Computersystemen und aktuellen technologischen Innovationen wie das tragbare, im Handel erhältliche BCI (Brain-Computer-Interface) ermöglicht neuartige Interaktionen zwischen dem digitalen Medium und den Besucher*innen in Echtzeit, indem eine Rückkopplungsschleife zwischen den Biosensor-Geräten und den Individuen hergestellt wird. Das Ganze gibt es zu erschwinglichen Preisen. Solche Interaktionen zwischen Mensch und Computer eröffnen Möglichkeiten innovativer und experimenteller Kunstpraktiken, die sich ausschließlich auf die Publikumsbeteiligung konzentrieren, während sie die Affekte und das Verhalten des*der Einzelnen als den wichtigsten Inhalt der künstlerischen Absicht positionieren.
BOREOUT ist eine interaktive, durch Gehirnwellen gesteuerte, audiovisuelle 3-Kanal-Installation, in welcher die Besucher*innen nur dann dazu aufgefordert wird versteckte Bilder und Töne zu entdecken, wenn das Computersystem mittels EEG-Analyse in Echtzeit ein hohes Maß an Desinteresse entdeckt. Mit anderen Worten: wenn der*die Besucher*in gelangweilt genug ist, ‚fokussiert‘ sich das geheime Bild und wird von der Maschine in seine ursprüngliche Form zusammengesetzt, sodass es deutlich erkennbar ist. Zugleich wird die ursprüngliche Sequenz der Tonspur wiederhergestellt, sodass ihre Melodie erkannt werden kann. Durch dieses Erlebnis ist es wahrscheinlich, dass die Aufmerksamkeit und das Interesse der Besucher*innen zunehmen, was schließlich dazu führt, dass das Bild wieder ‚unscharf‘ und der Ton nichtlinear neu angeordnet wird. Daher pendeln Bild und Ton zwischen ‚fokussiertem‘ und ‚unscharfem‘ Zustand und lassen den*die Besucher*in in einem ganz bestimmten Stand-by-Modus zurück. Die Maschine liefert für alle neuen Besucher*innen ein neues Geheimbild.
Das Projekt nimmt auf ein Zitat des berühmten Konzeptkünstlers Marcel Duchamp Bezug, das aus seinem Interview mit dem BBC im Jahr 1968 stammt. Er spricht über Fluxus, Dada und Happening und erwähnt in diesem Zusammenhang die Verwendung von Langeweile als Ziel im Kontext eines Kunstwerks:
Das Projekt BOREOUT begann im Jahr 2018 im Rahmen des Art & Science & Business Artist-in-Residence-Programms am Bosch Forschungsinstitut – Platform 12 in Renningen, Deutschland, als ich das Wimmelforschungs-Stipendium erhielt, das von der Robert Bosch GmbH, der Akademie Schloss Solitude und der Wimmelforschung verliehen wird. Im Frühstadium hat Antoni Rayzhekov mit Wissenschaftlern aus dem Gebiet der kognitiven Analyse und der künstlichen Intelligenz zusammengearbeitet, um mögliche Strategien zur Echtzeitmessung und -schätzung des emotionalen Zustands des*der Teilnehmer*in mithilfe eines tragbaren EEG-Headsets und des maschinellen Lernens zu untersuchen. 2019 wurde das Projekt ausgewählt, um im Rahmen des FERAL Labs Artist-in-Residence-Programms weiterentwickelt zu werden. Der erste Prototyp wurde beim Schmiede Festival 2019 präsentiert.
Konzept, Programmierung, Sound und Motion-Graphics von Antoni Rayzhekov
Die Skulptur wurde in Zusammenarbeit mit dem Glaskünstler Nikola Grozdanov hergestellt.
Das Projekt wurde zuerst im Jahr 2018 von der Akademie Schloss Solitude (Stuttgart), der Robert Bosch GmbH (Renningen) und der Wimmelforschung (Berlin) unterstützt und im Jahr 2019 im Rahmen der FERAL Labs artist-in-residence in Salzburg und Hallein weiterentwickelt.
Klaus Erika Dietl | Stephanie Müller: ROHBAU MIT AUSSICHT
Inselbegabungen in der Leistungshölle
Welche Fenster öffnen sich, wenn wir es uns – on standby - im Wartezimmer nicht länger bequem machen? Klaus Erika Dietl und Stephanie Müller vom MEDIENDIENST LEISTUNGSHÖLLE haben Lust, im Austausch mit Interessierten am Erzähldiktat zu reiben und neu zu fokussieren. Es entsteht eine performativ bespiel- und verhandelbare Rauminstallation. Surreale Kulissen-Inseln bieten analoge und digitale Plattformen für kleine Video-Szenarien. Das Wartezimmer wird zur Baustelle. Die ganze Rauminstallation – eine offene Wunde, die zum freien Spiel einlädt und Raum für Um- und Unordnungen lässt.
Der digitale Kapitalismus plädiert längst für eine Um- und Unordnung unserer Freizeit- und Arbeitswelt. Im Zuge der Technisierung von Arbeitsvorgängen bleibt der Mensch nach wie vor eine jederzeit verfügbare Arbeitskraft. Als Träger*innen von Arbeitsleistung werden wir allerdings zunehmend ausgeschlossen. Wohin also mit uns und unseren Inhalten? Ständig auf Abruf und doch auf niedrigem Akkustand? Soweit drinnen, längst schon draußen.
Bei Klaus Erika Dietl und Stephanie Müller vom MEDIENDIENST LEISTUNGSHÖLLE treffen Bildende Kunst, Performance, Video und Soundkunst auf Sozialwissenschaften. Die beiden Münchner Künstler*innen schätzen die Splitter im Gewebe und kratzen am Konkreten. Was tut sich auf, wenn wir es uns – on standby - im Wartezimmer nicht länger bequem machen? Was passiert, wenn wir stattdessen den Raum dahinter betreten, wo sich im nächsten Level Nähmaschine und Regenschirm zufällig auf einem Seziertisch begegnen?
Im Zuge des vierwöchigen subnetAIR Artist in Residency Programms erproben Dietl und Müller Szenarien für neue Möglichkeitsräume. Stück für Stück entwickeln sie eine performativ bespiel- und verhandelbare Rauminstallation. Die beiden Künstler*innen haben Lust, im Austausch mit anderen (z.B. Schüler*innen, Student*innen, soziale Intitiativen und Gruppen) an den Bruchstellen im Erzähldiktat zu reiben und neu zu fokussieren. Erst der Leistungsabfall, dann die freie Sicht.
Surreale Kulissen-Inseln bieten analoge und digitale Plattformen für kleine Video-Szenarien und können frei gewürfelt werden. Das Wartezimmer wird zur Baustelle. Die ganze Rauminstallation – eine offene Wunde, die zum freien Spiel einlädt und Raum für Um- und Unordnungen lässt.
Der ROHBAU MIT AUSSICHT ist offen für alle, die gängige Genregrenzen aufbrechen möchten und sich auf gemeinsame Aufnahmen freuen. Der MEDIENDIENST LEISTUNGSHÖLLE gibt dabei bewusst das Zepter der Regie ab und setzt auf kollaborative Prozesse. Alles Entstehende wird zum Open Source Archiv, das von den Beteiligten frei weiter genutzt werden kann.
Am Ende steht ein Videomosaik – ein performatives Mapping, das Reif für die Insel ist und den Leistungsabfall feiert. Was passiert im Rohbau, wenn wir die Demoversion knacken? Welche Fenster öffnen sich, wenn wir Inhalte erproben, statt ‚just for safety on standby‘ zu bleiben? Einen Fehler machen. Alle Fehler machen. Ordentlich Fehler machen mit dem MEDIENDIENST LEISTUNGSHÖLLE.
Abschlusspräsentation der subnetAIR Residency im Kunstraum Fünfzigzwanzig
Einblick in das audiovisuelle Fehlerprotokoll gibt es im Zuge des DIGITAL SPRING Festivals am Donnerstag, den 19. März im Kunstraum Fünfzigzwanzig. Der Rohbau wird Projektionsfläche und Klangkörper. Das entstandene Videomosaik wird live vertont.
Beim Erzeugen der Klänge greifen die Künstler*innen auf das Werkzeugsortiment zurück, das im Zuge des Aufbaus zum Einsatz kam. Die verstärkte Nähmaschine wird zum Rhythmusinstrument. Der Laptop liefert digitale Verstimmungen. Aus den Heizungsrohren pulsiert die Basslinie. Das Schraubensortiment wird zum Glockenspiel, der Blumendraht zur Saite.