Schönhungern, schnell schießen
Georg Schramm erklärt bei der MotzArt-Woche, was uns noch retten könnte.
Freilich wird gelacht. Aber einen Grund dafür gibt es nicht. Der deutsche Kabarettist Georg Schramm macht einem im Programm "Thomas Bernhard hätte geschossen" das Lachen schwer. Jedes Wort ist voll bitterer Erkenntnis. Er stellt uns Typen vor, die er so genau präsentiert, dass einem angst und bang wird. Und auch wenn Thomas Bernhard nur im Titel und dann im Epilog, einer Passage aus "Der Stimmenimitator", vorkommt, so ist Bernhards Welt doch präsent. Bei Schramm tauchen all die Alptraumtypen auf, die auch bei Bernhard gesellschaftliche Verwüstung und Ausweglosigkeit symbolisieren.
Was uns noch retten kann? Womöglich die Aktion "Deutschland helfen - aber wie?" Als Rahmenhandlung bietet Schramm einen "Informationsabend" dieser "Stiftungsinitiative" an. Für den Erfolg des Abends spielt wenig Rolle, dass es um Deutschland geht. Der Wahnsinn ist überall. Schramm gelingt es durch Improvisationen auch geschickt, Österreichbezüge herzustellen. Denn: "Ohne Deutschland ist Österreich nichts." Und wir sollten uns nicht davon in Sicherheit wiegen lassen, dass es drüben so schlecht gehe, dass "jetzt Deutsche als Schankkellner einen ursprünglich für Österreicher gedachten Beruf ausüben".
Nie lässt sich bei den Angriffen auf gesellschaftliche Zustände zwischen Militärwahn und Gesundheitskatastrophe gänzlich klären, ob Schramms Bühnenfiguren wie Oberstleutnant Sanftleben, der alte SPDler August ("Wir haben einen neuen Arbeitskreis gegründet, ,Sozialdemokraten in der SPD‘. Wir sind schon zu dritt.") oder Rentner Dombrowski aus der Realität erzählen oder ob ihre bitteren Monologe doch "nur" der Feder des Autors entspringen.
Schramm war bis zu seinem Ausscheiden Ende vergangenen Jahres der einzige Grund, wegen dem es sich lohnte, den TV-Kabarettklassiker "Scheibenwischer" noch anzusehen. Er stand mit seiner berühmtesten Figur Dombrowski als einziger bissiger Wolf in einer Herde von Lämmlein, denen jede heitere Pointe mehr wert war als ein Stich ins flaue Fleisch der Gesellschaft. Schramm sticht zu. Unentwegt und so lange, bis es auch denen wehtut, die - einer alten Kabarettkonvention folgend - meinen, dass sie ohnehin auf der gleiche Seite wie der da oben stünden. So einfach macht es Schramm aber nicht. Und wenn er nicht in seinem Programm zutiefst an Menschenwürde appellierte, müsste man ehrlicherweise rausrennen vor Betroffenheit.
Was hier bei einem der seltenen Österreich-Auftritte von Schramm geboten wird, gleicht Notwehr. Ein verzweifelter Aufruf eines Bühnenkünstlers an sein Publikum ist das. Es muss was passieren und es bleibt die Frage, ob es nicht Zeit ist, das Reden einzustellen und zu schießen. Aber wo immer Rentner Dombrowski Verbündete sucht, er findet - ob am Stammtisch oder im Wartezimmer beim Arzt - nur ein abgestumpftes Volk, dass sich mit Heidi Klum schönhungert und Dieter Bohlen bejubelt, wenn der wehrlose Opfer verbal misshandelt. Nur eins habe Besserung gebracht. Dombrowski hat erkannt, dass jede politische Entscheidung irgendeiner Bevölkerungsgruppe hilft. Nur: "Ich bin nie bei einer dieser Gruppen." Dadurch sei seine Wut zwar nicht weniger geworden, aber die intellektuelle Beschäftigung falle nun leichter. Ein großer, ein bitterer Abend.
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