Wenn Faust sich ins Fäustchen lacht
MotzArt-Woche: Goethes "Faust I", virtuos zerlegt von Michael Quast und Philipp Mosetter.
Die Osterglocke ist ein kleines, handliches Glöckchen. Und der diabolische Mephisto? Eine putzige Fingerpuppe. Keine Frage: Wer Johann Wolfgang von Goethes gewichtigen Klassiker "Faust I" auf das Wesentliche reduzieren will, darf und muss jeden unnötigen Ballast abwerfen. Also untersuchen Michael Quast und Philipp Mosetter in ihrem Kabarettprogramm "Faust I - Das ganze Drama zu zweit" Goethes Vermächtnis auf seine wahre Essenz - und auf die Stellen, die man am besten gleich überspringen kann.
Werktreue als selbst auferlegte Maxime heißt ja nicht, dass kein Platz für originelle Lesarten bleibt.
Im Vorjahr eröffnete der deutsche Alleskönner Michael Quast die Salzburger MotzArt-Woche mit einer hochkomischen Verdichtung von Mozarts Don Giovanni "à trois".
Auch zur Eröffnung der 25. Ausgabe von Christian Wallners Salzburger Kabarettfestival brauchte Quast am Donnerstagabend nur einen kongenialen Partner, um auf des Pudels Kern zu kommen. Und so klärt Mosetter als vergeistigter Goethe-Wächter und Regisseur der "Faust"-Lesung, in der Quast fast alle Rollen allein spielt, seinen Partner und das Publikum auch gleich über das Wichtigste auf: In den ersten 30 Versen habe Goethe alles vorformuliert. "Danach hat er sich im Grunde nur noch wiederholt." Oder, noch verwesentlichter: "Faust" sei eigentlich ein "Stück über das ,Ach ...!‘". In drei Buchstaben erkläre sich hier nicht nur Fausts ganzes Dilemma ("Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust") , sondern auch Goethes Lebenskrise mit dazu. Wie Michael Quast unter Mosetters pingeligen Anweisungen den Doktor Faust als Greis ("Versuch's mal ohne Zähne!"), seinen Famulus, Mephisto, die Hexe, Marthe und alle anderen Figuren im Alleingang spielt, wie er Laute imitierend die Hexe im Surround-Sound durch den Saal fliegen lässt, Meerkatzen nachäfft und auch noch den Soundtrack zu einem Gretchen-Blues ("Meine Ruh' ist hin ..." ) fabriziert, ist eine Show für sich. Mosetter kontert als gekonnt verklemmter Gretchen-Darsteller.
Und wo durch großzügiges Streichen überflüssiger Kapitel Freiräume entstehen, werden hinterfotzig die Abgründe der Goetheforschung ausgeleuchtet. Dann doziert Mosetter nicht nur über des Dichters verkorkstes Liebesleben, sondern zugleich auch über sein eigenes.
Überhaupt: Wenn es nach Quasts und Mosetters durchwegs großartigen "Faust"-Deutungen geht, ist das Scheitern der Liebe das eigentliche Happy End - in der Literatur wie im Leben: "Die Liebe muss scheitern, um ihrer Größe willen. Denn immer, wenn sie gelingt, landet sie im Eigenheim."
© Clemens Panagl, Salzburger Nachrichten