Anmerkungen über das "Ach"
Michael Quast und Philipp Mosetter eröffneten am Donnerstag (1.2.) in der ARGEkultur die 25. MotzArtwoche mit "Faust I".
Quantenphysik und Urknalltheorie, feministische Goetheforschung und männliches Flucht- bzw. Flugverhalten, sowie ein, bereits sechs Jahre vor Goethes Geburt nach Deutschland importierter, linierter Schreibblock (wegen der Möglichkeit zu faltender Papierflieger) sind nur einige der Erkenntnisbereiche, die Michael Quast und Philipp Mosetter mit ihrem "Faust" zur Eröffnung der MotzArtwoche strahlend erhellten.
Nach "Don Giovanni zu dritt" nun also "Faust zu zweit". Es war ein überaus vergnüglicher Abend, bei dem die Germanistische Goethe-Forschung ebenso ihr Fett abbekam, wie die Feministische, bei dem Klamauk und Ironie sich genüsslich paarten. Stichwort! Auch Goethes und minderer Geister Sexualverhalten wurde einer kritischen Würdigung unterzogen, ohne dass die Gefilde klassischer Sprache verlassen worden wären. Wie Faust, pardon, wie Goethe mit der Wirtstochter Faustina in Rom "logiert" hat, konnten sich auch die Nicht-Germanisten am Ende ganz gut vorstellen. Die markig-deftigen Sprüche in der "Hexenküche" seien unter dem Eindruck dieses sinnlichen Italien-Erlebnisses entstanden.
Das wiederum konnte man erfahren, weil Philipp Mosetter, als Regisseur und Dramaturg, immer wieder korrigierend und erhellend in die szenische Lesung von Michael Quast eingriff. Szenen wie "Osterspaziergang" oder "Auerbachs Keller" wurden gestrichen, meist nach der einleitenden Frage "Ist Dir diese Szene wichtig?". Immer wieder freilich vergaß sich auch der kritische Beobachter und brachte, hervorgestöbert vom Verlauf des Dramas, eigene Befindlichkeiten zur Sprache.
Auch das hatte Witz, nahm die "objektive" Position des Wissenschaftlers als solchem auf's Korn. Die Masche wurde auch nicht über Gebühr ausgewälzt. Leitmotivisch - und durch die Wiederholung pädagogisch wertvoll vermittelt - wurde die Erkenntnis, dass in den ersten dreißig Zeilen der Tragödie (zwischen Vers 355 und 385) alles gesagt sei, und Goethe sich dann nur mehr wiederhole. Auch wird künftig niemand mehr das gewichtige Wörtchen "Ach" ("Habe nun, ach, Philosophie ...", "Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust" ...) leichtfertig aussprechen.
Im Gegensatz zu "Don Giovanni a trois", bei dem man das Gefühl hatte, in einer urkomischen gleichwohl vollgültigen Aufführung der Oper zu sitzen, geriet "Faust I" eher zum Klamaukstück. Der ironisch distanzierend in Szene gesetzte "Kritische Apparat", die Seitenhiebe auf Wissenschafts- und Theaterbetrieb, die komödiantischen Talente Quast und Mosetter, sowie das qualitätvolle Stück garantieren den Erfolg beim Publikum.
© Heidemarie Klabacher, DrehPunktKultur