Hadern mit Bernhard
Josef Hader las bei der MotzArt-Woche am Dienstag in der ausverkauften ARGEkultur zum letzten Mal aus Interviews mit Thomas Bernhard.
Donnerstag, 19.2.2004
Wo Josef Hader draufsteht, ist Lachen drin. Auch. Denn vor allem ist hintergründige Nachdenklichkeit drin und bisweilen auch hinterfotzige Irreführung. Da hat Hader was gemeinsam mit Thomas Bernhard. Ausschnitte aus Interviews des österreichischen Schriftstellers untermauern das im Rahmen der MotzArt-Woche in der ARGEkultur. Hader erarbeitet keinen Literaturabend, sondern wirft einen facettenreichen, intimen Blick auf Bernhard. Besser: Bernhard lässt durch seine Aussagen einen solchen Blick zu.
Christa Fleischmann traf Bernhard im Süden. Bernhard sprudelt frisch, spritzig, spontan, ironisch und bissig. Fleischmann reagiert bewusst harmlos, manchmal naiv und manchmal fast beleidigt. Genau so liest Hader.
Ganz anders die Gespräche, für die der Salzburger Kurt Hofmann stundenlang vor Bernhards Hof in Ohlsdorf wartete. Bernhard wirkt angewidert, lässt sich über die Blödheit von Land und Leuten aus. Hofmann schrieb die Gespräche nicht als Frage-Antwort-Spiel nieder. Er fasste Bernhards Worte zu Monologen zusammen. So entstehen Suaden, die einem oberflächlichen Bernhard-Klischee, dem eines Nörglers und Menschenfeinds, entsprechen. Hader liest den Wortschwall, als wäre er ein Gejagter, als müsse er vor dem Fragenden flüchten, ihm aber vorher noch ein paar verbale Ausfälle hinwerfen.
Totale Öffnung in der Hotellobby
Am tiefsten gehen die Gespräche mit Andre Müller. Sie gleichen einem Kampf. Wie im Duell lässt Hader zwei aufeinander treffen, die wissen, dass jede Sekunde ein gefährlicher Stoß des Gegenübers erfolgen kann. Auf der Hut sein ist Pflicht - und Überlebensstrategie. Von der Flockigkeit des Südens ist ebenso wenig übrig wie von der Boshaftigkeit bei den Gesprächen mit Hofmann. Die Themen sind immer gleich: Tod, Literaturbetrieb, Heimatverehrung und -verachtung, die Qualen und Freuden des Schreibens. Im zweiten Teil legt Hader den Schwerpunkt auf das Thema Frauen. Da lässt sich der Dichter aus über die Rolle der Frau in einer christlichen Welt: "Es heißt ja Herr-Gott (...), nicht Göttin Susi." Es wird allerdings auch nachdenklich ruhig. Als zentrales Gespräch rezitiert Hader aus einem Treffen zwischen Bernhard und der deutschen Journalistin Asta Scheid.
In einer Hotellobby in Wien trafen sie sich - und zwar nur für dieses eine Gespräch. Völlig unerwartet lässt Bernhard dabei alle Masken fallen, spricht über die Momente am Sterbebett der "Tante", die jahrelang wichtige Bezugsperson war. Dann vergeht einem das Lachen. Da dringt Hader durch sorgsam gewählte Betonung, durch das Senken der Stimme in eine tiefe Nachdenklichkeit ein. In dem Gespräch sagt Bernhard: "Alles wird zertrampelt auf der Bühne. Es ist jedesmal eine Katastrophe." Hader zertrampelt nichts, sondern gibt Bernhards Worten eine Wirkung, die ihresgleichen nirgendwo findet. Naturgemäß, möchte man sagen, wenn ein Meister der Nuancen in der Präsentation von Worten einem Meister begegnet, der Wortgewalt zu Papier gebracht - oder ins Mikrofon diktiert - hat.
Die Chance, diesen fein gesponnenen Abend nochmal zu hören, gibt es nicht mehr. Hader las die Collage in Salzburg zum letzten Mal. Einer der Herausgeber verweigerte die Zustimmung für die Verwendung seiner Gespräche. "Die wollen halt nicht im Zusammenhang mit den anderen auftauchen", sagt Hader. Er akzeptiere das "ganz einfach", denn eine Version, in der ein Teil der Gespräche fehlt, habe "keinen Sinn". Hader schuf aus den so unterschiedlichen Gesprä-che nämlich eine Einheit. Die Themen ergänzen sich. Nur in Wortwahl und im Gefühl, das sich zwischen den Zeilen breit macht, gibt es Unterschiede, die Hader geschickt hervorlockt. Eine Einschränkung auf weniger als alle Texte würde das verhindern. Eine Lesung nur mit den Interviews von Müller würde Hader aber reizen. Konkrete Pläne gibt es nicht.
Konkret sind die Pläne für die Rückkehr auf die Kabarett-Bühne. Am 8. Dezember wird ein neues Soloprogramm Premiere haben.
Bernhard Flieher, © SN
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