Der Tribun • Top Spots
eine theatralisch-musikale verFÜHRUNG in zwei Teilen
09. & 12.12.2010
Von Schlachtrufen im Supermarkt und Märschen, die den Sieg verfehlen
"Der Tribun • Top Spots" handelt von der Manipulation, der Verführung von Menschen.
Wie bewusst setzen wir unsere Handlungen?
Sind wir frei agierende Subjekte oder wird unser Tun sowie unsere Wahrnehmung von anderen beherrscht?
Wenn ja, von wem und auf welche Art?
Inwiefern sind wir unbewusste Mitläufer kalkulierter Verführungen?
Mit diesen Fragen setzen sich die beiden Stücke auseinander.
Mauricio Kagel zählt zu den bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Er wurde 1931 in Buenos Aires geboren und starb 2008 in Köln. Fantasie, Humor, Originalität und beeindruckende Vielseitigkeit zeichnen seine Werke aus. Mauricio Kagel war einer der Hauptbegründer des Neuen Musiktheaters und nicht nur Komponist, sondern auch Regisseur und Produzent seiner Filme und Hörspiele.
Sein Hörspiel "Der Tribun – für einen politischen Redner, Marschklänge und Lautsprecher" entstand 1979, für welches er den Hörspielpreis der Kriegsblinden erhielt. In diesem Stück übt der erste Mann eines fiktiven, nicht genannten Staates eine politische Rede an sein Volk. Demagogie, Volksverführung, Egomanie und ein zwanghafter Wille zur Macht treiben ihn in sprachliche Exzesse, die jedem Zuhörer bekannt sein könnten. Kagel vermeidet jegliche Konkretisierungen, demaskiert jedoch die manipulativen Mechanismen von Sprache und Musik. Beide Mittel werden eingesetzt, um die Gefühlswelt des Volkes anzusprechen und dort auch zu packen: einerseits emotional aufgeladene Rhetorik, andererseits zum Krieg animierende Marschmusik. Vorurteile werden geschürt, Feindbilder etabliert, der Krieg als die Lösung präsentiert. Die fiktiv gehaltene Ansprache zeigt sich im Laufe der Probe zunehmend grotesk.
Ist Ihr Ich der eigene Herr im Kaufhaus?
"Top Spots – Werbejingles für konsumENTEN", der zweite Teil des Abends, ist eine stART-Produktion in Kooperation mit der ARGEkultur Salzburg und dem oenm . oesterreichisches ensemble für neue musik. Die Musik des Auftragswerkes, welche als Art aktuelle Spiegelung von Kagels Hörspiel zu verstehen ist, verfasste der ungarische Komponist und Klarinettist Theodor Burkali. Die Textmontage stammt von der jungen Salzburger Regisseurin Martina Gredler, die die beiden Stücke in Szene setzt. Burkali und Gredler erhielten ihre Ausbildung an der Universität Mozarteum.
Porträtiert "Der Tribun" einen politischen Verführer, geht "Top Spots" der Frage nach, welchen Verführungen wir heute tagtäglich in unserer kapitalistischen Konsumgesellschaft ausgesetzt sind. Welche Werbeslogans und -jingles sich in unseren Köpfen festsetzen und wie sie uns unbewusst lenken. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Begriff Slogan sich vom schottisch-gälischen sluagh-ghairm ableitet (bestehend aus sluagh – Volk, Heer, und gairm – Ruf) und Schlachtruf bedeutet. Ziehen wir also freiwillig in die Einkaufsschlacht? Und auf welche Art bestimmt unser Konsumverhalten eigentlich auch unser Liebesleben? Kurz zuvor im Netz bei "Amazon" einen Artikel in den Warenkorb gelegt, anschließend bei "ElitePartner" den/die fesche/n Akademiker/in? Wie formt die Sprache des Konsums unsere Wirklichkeit?
Verantwortlich für die musikalische Gestaltung des Abends zeichnet sich das oenm . oesterreichisches ensemble für neue musik unter der Leitung des argentinischen Dirigenten Jorge Rotter. Die Darsteller sind Bettina Wiehler und Nikolaij Janocha, beide Schauspielabsolventen des Mozarteums, sowie Albert Weilguny, Sprecherzieher und Schauspieler. Bühne und Kostüm stammen von der Salzburger Bühnenbildnerin Eva Musil.
- Regie Martina Gredler
- Musikalische Leitung Jorge Rotter
- Bühne & Kostüm Eva Musil
- Es spielt das oenm . oesterreichisches ensemble für neue musik
Der Tribun
- Komposition & Text Mauricio Kagel
- Schauspiel Albert Weilguny
Top Spots
- Komposition Theodor Burkali
- Textmontage Martina Gredler
- Schauspiel Bettina Wiehler, Nikolaij Janocha
Kritik
- DrehPunktKultur: Kritik von Heidemarie Klabacher.
Missionstatement Martina Gredler
Sind wir Mitläufer, ohne es zu merken? Werden wir verführt – wenn ja wozu? Sind wir Herren/Damen im eigenen Haus? Sprechen wir oder werden wir gesprochen? Kann Musik auch Waffe sein? Inwiefern schauen wir kritisch der Sprache auf den Mund, der Musik auf die Finger? Wohin führen uns Polit- und Werbeslogans? Sind das nur harmlose Schlachtrufe? Wer konstruiert unsere Wirklichkeit?
Missionstatement Theodor Burkali
In "Top Spots" verweisen einfache Liedprodukte – unterschiedlich musikalisch verpackt – auf die aktuelle Verführungspraxis von Werbespots und damit auf unsere Konsumdiktatur. Von hohen Krediten und von Käufen der verteuerten Billigfälschungen betäubt, schweben wir depressiv im Scheinglück der Konsumgesellschaft. In dem Moment, in dem wir glauben, alle unsere von der Konsumdiktatur vorgegebenen Pflichtträume erreicht zu haben, werden wir feststellen müssen, dass wir Sklaven unserer eigenen Habgier geworden sind.