"Same Time Same Station"
Guillotine 2.0: Zwei Blogger berichten mitten aus der französischen Revolution
04.-05.12.2009 und 08.-11.01.2011
Es ist heiß. Draußen ist Paris, drinnen sitzen zwei Blogger und sind beschäftigt. Die Nachrichten überstürzen sich: die Streiks, die Staatspleite, die Banken, die Krawalle in den Vorstädten. Charlotte Corday und Jean Paul Marat sind als Blogger mit Kamera und Computer live dabei.
Das Theaterstück "Same Time Same Station" von gold extra bringt die heutige Medienlandschaft, Internet, Telefon und Fernsehen in die Zeit der französischen Revolution. Der Sommer 1789 ist da: Die Bastille, die revolutionären Reden, sprudelnde Fontänen von Cola Light und Mentos, der hässlichste Hund der Welt und die Guillotine auf Youtube und in Twitter. Marat und Corday wissen: "The News, c'est moi" - Das ist ihre Chance mit ihren Geschichten einzugreifen, selbst Geschichte zu machen ... und die entscheidenden Fragen zu stellen: Ist Robespierre sexy? Was macht der sechzehnte Louis, Ex-König, jetzt?
"Wir haben alle schon mal einen Info-Rausch erlebt", sagt Karl Zechenter von gold extra, " man interessiert sich für ein Ereignis in den Medien und dann verliert man in der Fülle der Information das Ereignis aus den Augen und bleibt beim Tratsch hängen" Stimmt. Imelda Marcos hatte 2.000 Paar Schuhe, aber welcher Diktator gehörte da dazu? "So ein Info-Rausch gibt eben das Gefühl informiert zu sein", ergänzt Sonja Prlić, "ohne, dass etwas hängen bleibt."
gold extra lassen in ihrem neuen Stück diese Informationsgesellschaft auf eine Zeit der größten politischen Umwälzungen in Europa treffen und sehen nach wie Handy und Webcam mit der französischen Revolution zurechtkommen. Zechenter schmunzelt: "Wir bringen die Nachrichten auf die Bühne, so wie wir sie und wie sie uns benützen".
Auf der Bühne stehen zwei Schauspieler, Leinwände, vor den Zuschauern Monitore. Das Publikum taucht mit Monitoren vor sich gemeinsam mit Charlotte Corday und Jean Paul Marat als Blogger in die Internet-Nachrichten und Bilderwelten ein. "Für uns war in den Proben interessant, mit den unterschiedlichen Formen von Nachrichten umzugehen, Live-Berichten, Interviews, Augenzeugen und das Ende des 18. Jahrhunderts plötzlich als ganz gegenwärtige Zeit kennen zu lernen", erzählt Sonja Prlić. In der Rolle des siechen aber energischen Marat ist der ehemalige Volksopern- und Burgschauspieler Dirk Warme zu sehen, Dorit Ehlers vom Produktionsnetzwerk "ohne titel" ist als draufgängerische und ungestüme Charlotte Corday zu sehen.
Das Team von gold extra, das Same Time Same Station realisiert versammelt neben den Regisseuren Karl Zechenter und Sonja Prlić, den Filmemacher Tobias Hammerle, die Bildende Künstlerin und Festival der Regionen-Kuratorin Doris Prlić und der Medienkunstpreisträger Reinhold Bidner. "Dieses Team hat auch schon bei unserem Roboter-Theaterstück Black Box zusammengearbeitet. Dort wie auch beim aktuellen Stück geht es darum mit den Zuschauern gemeinsam die Bühne zu verwenden, um etwas Neues auszuprobieren", sagt Tobias Hammerle. Hammerle, Prlić und Zechenter sind neben der Probenarbeit damit beschäftigt, das Computerspiel "Frontiers" fertigzustellen, dass mit Oktober in eine Dauerausstellung an das große deutsche Medienkunstmuseum ZKM Karlsruhe übernommen wird.
"Same Time Same Station ist ein rasantes Mediencollagetheater mit flimmernden Leinwänden und Bloggern, die gut daran tun sich an ihre Tastaturen zu klammern", versprechen die KünstlerInnen. Und wenn dabei in den Wirren der französischen Revolution auch der Kopf verloren gehen mag: Morgen wieder same time same station.
- Regie, Konzeption Sonja Prlić, Karl Zechenter
- Visuelle Gestaltung, Animation Doris Prlić, Tobias Hammerle, Reinhold Bidner
- Kostüm Elke Grothe
- Musik Stefan Eder
- Requisite Friederike Reumüller
- Bühne Severin Weiser
- Schauspiel Dorit Ehlers, Dirk Warme
Pressemeldungen
- DrehPunktKultur: Kritik von Reinhard Kriechbaum.
- Salzburger Nachrichten: Vorbericht zu "Same Time Same Station". Von Clemens Panagl.