Hier gehts nicht um die neueste Technik zur Identifikation der relativen Einwohnerzahl von Queensland, vielmehr kann Mann oder Frau mittels QR-Codes verschlüsselte Botschaften beispielsweise im urbanen Stadtraum hinterlassen. Womit wir im Fall von Salzburg also doch wieder bei relativ wären was die Urbanität betrifft.
D: Sehr verehrte Damen
S: und Herren,
D: liebe Freundinnen
S: und Feinde,
D: hiermit begrüßen wir Sie zur Eröffnung des Festivals
S: guerilla convention
D: in der ARGEkultur Salzburg.
S: Alle wissen wir, was guerilla ist,
D: d.h., wir stimmen darin überein
S: und in dem Sinn wissen wir auch, was guerilla convention ist,
D: eben diese Übereinstimmung in punkto guerilla,
S: eine Art Kleinkriegsübereinkunft,
D: die in einer willkürlichen Weise zustande kommt,
S: indem wir sie zum Beispiel
D: wie soeben geschehen
S: uns und Ihnen einfach einmal gemeinsam unterstellen.
D: Wie weit wir Ihnen damit Gewalt antun, das können Sie freilich nicht wissen,
S: weil Sie ja auch nicht wissen, was wir unter guerilla verstehen,
D: womit zumindest gesagt ist, dass wir wenigstens,
S: wir zwei beide nämlich,
D: darin übereinstimmen, was guerilla ist.
S: Eine convention setzt eine Menge von mindestens zwei Personen voraus,
D: die sich willkürlich darauf festlegen, übereinzustimmen.
S: Die Übereinstimmung in dieser Mindestmenge,
D: unser konventionelles Element,
S: bedeutet nicht, dass wir uns deshalb in Harmonie auflösen,
D: wohlfertig und friedgesonnen,
S: aufeinander abgestimmt,
D: rundum sympathisch,
S: ganz in Freundschaft,
D: ganz im Gegenteil.
S: Nur vor dem Hintergrund einer Übereinstimmung ist die Auseinandersetzung verständlich,
D: die unsere Feindschaft unverblümt ans Licht zerrt.
S: Deshalb auch unsere feierliche Anrede,
D: sehr verehrtes Publikum,
S: das ist unser erster Feindbegriff,
D: den wir natürlich in Ehren halten,
S: in der Hoffnung, zugleich mit diesem Festival
D: guerilla convention
S: auch diese Feindschaft zu eröffnen,
D: die gegenseitige,
S: gegen uns gerichtete,
D: sowie die gemeinsame,
S: gegen das Publikum gerichtete,
D: an welcher Stelle Sie sich glücklicherweise befinden,
S: auf der Grundlage einer willkürlich unterstellten guerilla-Übereinstimmung,
D: Kleinkriegsübereinkunft,
S: die wir im folgenden treffen wollen.
D: Um diese nicht von vornherein zu verfehlen, müssen wir vom Begriff des Feindes vor allem den moralischen Charakter abziehen,
S: sowie seine logische Abhängigkeit vom Begriff des Freundes.
D: Jeder von uns selbst ist so ein Verhältnis,
S: das sich zu sich selbst verhält,
D: indem es sich von der Vorstellung eines anderen unterscheidet,
S: der gerade in dem Falle einer Übereinstimmung,
D: convention,
S: unmittelbar sein Feind ist.
D: Das geschieht jeweils nur in einem direkten Gegenüber,
S: einem Selbst-sein über Gegen-sein.
D: Es geht aber auch nicht darum, dass jeder mit sich selbst uneins ist,
S: was sich ja von selbst versteht,
D: und wozu wir genauso oder noch besser zu hause bleiben könnten,
S: sondern dass jeder in der Lage ist, sich zu jeden anderen als dessen Feind aufzustellen,
D: und damit gemeinsam gegen wieder andere zu positionieren,
S: als deren Feinde
D: aufgrund einer grundsätzlichen Übereinstimmung,
S: ausgehend von einer Mindestmenge von zwei.
D: Wo zwei in einem Namen vereint sind,
S: oder Decknamen,
D: da ist der Streit schon mitten unter ihnen,
S: wie abgemacht
D: auch und vor allem gemeinsamer Widerstreit gegenüber einem Dritten,
S: als Publikum, das über kurz oder lang Partei ergreift,
D: für einen von zwei
S: oder gegen beide,
D: wofern es nicht mehr oder weniger gelangweilt das Weite sucht,
S: und insofern hinterhältig in die Flucht geschlagen,
D: ebenso hinterhältig als besiegt zu betrachten ist.
S: Wie Ihnen,
D: sehr verehrtes Publikum,
S: schon aufgefallen ist, fassen wir damit die beiden Begriffe des Festivals,
D: guerilla convention,
S: sowohl als Widerspruch wie auch als Einverständnis auf,
D: in dem Sinn, in dem bereits guerilla selbst
S: beziehungsweise Kleinkrieg
D: Einverständnis voraussetzt
S: beziehungsweise convention,
D: und umgekehrt, Einverständnis Kleinkrieg
S: beziehungsweise guerilla.
D: Dieses gegenseitige Voraussetzungsverhältnis zweier Begriffe,
S: die einander
D: - wie ein Selbst und Anderes -
S: unmittelbar ausschließen,
D: dieses Selbstverhältnis-durch-ein-anderes
S: beziehungsweise dieses Durch-einander-Verhältnis eines jeden selbst,
D: ist zunächst ein formales Merkmal und hat einen entsprechend formalen Namen:
S: die paradigmatische Opposition,
D: das antagonistische Verhältnis aller Dinge, die einem Paradigma entstammen.
S: Mit einem allein greife ich schon eine Dichotomie von mindestens zwei heraus,
D: von denen jedes für die Existenz des anderen denknotwendig ist,
S: obgleich eins das andere auslöscht,
D: sofern beides an ein und der selben Stelle Platz greift.
S: Nehmen wir als diese Stelle die des konkreten Ereignisses hier und jetzt,
D: in dem wir als zwei Eröffnungsredner ebenso einander wie auch Ihnen gegenüberstehen,
S: dann liegt auf der Hand, dass wir uns,
D: obwohl wir uns als sogenanntes Duo gegenseitig voraussetzen,
S: nicht an dieselbe Stelle setzen,
D: nicht vereinen, ohne uns damit aufzugeben,
S: noch gemeinsam an Ihre Stelle setzen,
D: da wir in dem einen Fall kein dialogisierendes Duo wären,
S: sondern ein monologisierendes Singel,
D: und da wir in dem andern Fall keine Eröffnungsrede halten würden,
S: sondern derselben zuhören würden,
D: sofern Sie sich im Gegenzug an unsere Stelle setzten.
S: Dieses Beispiel zeigt
D: in all seiner tieftraurigen Möglichkeit
S: eine ebensolche Möglichkeit des Ausgleiches,
D: des interaktiven Austausches.
S: Man spricht von ein und derselben Stelle als der eines Sprecher-Hörers,
D: eines kommunikativen Aktanten-Passanten,
S: ebenso interpassiv gestimmt wie sein Gegenüber.
D: Hiermit würden wir freilich nicht dieses Festival eröffnen,
S: sondern ein ganz anderes,
D: welches unter einem ganz anderen Titel stattfinden würde,
S: conversation convention,
D: und in dem die alles trennende
S: und zersetzende
D: Rampe,
S: die im Augenblick zwischen Ihnen und uns besteht,
D: sowie auch zwischen mir
S: und vor allem mir,
D: keine strikte Demarkationslinie zweier unvereinbarer Positionen darstellt,
S: sondern eine dialogisch aufgeweichte Grenze,
D: auf der wir nur noch im aufgehobenen Sinn einen Kleinkrieg ausfechten,
S: der sich in nichts anderem als einem revisionären Dissens äußert,
D: einer kurzweiligen Art von Meinungsverschiedenheit,
S: einer nicht zwingenden Zwietracht
D: mit ein wenig Koketterie
S: und ein wenig Beleidigung,
D: typische Vermischungsphänomene,
S: die dem ideologischen Begriff einer gewaltfreien face-to-face Situation entsprechen,
D: und nicht dem Begriff der Feindschaft,
S: der hier
D: für uns
S: zentral ist.
D: Es ist eine Binsenweisheit, die wir Ihnen,
S: sehr verehrtes Publikum,
D: nicht zweimal aufbinden möchten.
S: Ohne Feind kein Kleinkrieg, nicht einmal der kleinste,
D: kein Rillchen von einem guerillchen,
S: wobei die minimalste Konvention lautet, dass sich die Feinde als Feinde anerkennen,
D: dass sie zumindest wissen, dass ihr Verhältnis unter den gemeinsamen Begriff der Feindschaft fällt.
S: Es ist ganz klar, dass jemand, der einen Kleinkrieg führt, es nicht in Unschuld oder Unkenntnis dessen tut, dass er es tut,
D: sich also mutwillig in die Position von des seines anderen Feindes anderen Feindes begibt,
S: mit dem er alles andere als seine Stellung
D: oder Anstellung
S: tauschen möchte.
D: Ziel eines Kleinkrieges ist nicht, dass einer die Stelle des anderen übernimmt,
S: mehr oder weniger gewaltsam sich aneignet,
D: so wie Sie ja jederzeit unser Podest stürmen könnten,
S: oder wir ins Publikum hinab,
D: und somit in genau die Position geraten, die wir ja verabscheuen,
S: von Berufs wegen
D: und das heißt von Grund auf
S: verabscheuen müssen.
D: Ein Kleinkriegsaktivist macht sich keinesfalls zum Publikum seiner selbst,
S: denn er zieht eine strikte Grenze zur moralischen Maxime der Selbstversetzung,
D: zur allgemeinen Reziprozitur der Handlungsnorm,
S: nach der ich mich anstelle des anderen ebenso betrachte wie dieser mich anstelle seiner selbst.
D: Die Grenze zur Norm ist auch die Grenze zum normalen Kriegsbegriff,
S: dem sich unser Kleinkriegsbegriff widersetzt,
D: obgleich sich ein jeder Kleinkrieg auch im Krieg auflösen kann,
S: eine echte Niederlage,
D: die allerdings von den Kriegstreibern
S: und Kriegsbetreibern
D: zum Sieg verklärt wird.
S: Es genügt die unterstellte Übernahme ganz normaler Kriegsziele
D: und Mittel,
S: und schon scheint jeder Kleinkrieg entwaffnet und sinnleer zu sein,
D: ein bloßes Teilgeschehen innerhalb eines Ganzen,
S: das ihm einen ganz anderen Sinn verleiht
D: und vor allem einen ganz anderen Feindbegriff.
S: Der Andere wäre dann mein Feind nun insofern, als er sich an meine Stelle versetzen möchte,
D: die ich deshalb bedroht sehe
S: und schließlich nur noch verteidigen möchte.
D: Jeder normale Krieg legitimiert sich deshalb durch ein Verteidigungsszenarium,
S: das auf dem Gedanken der Selbstversetzung in Andere beruht.
D: Da auf demselben Gedanken jedoch auch die moralische Maxime des Handelns beruht,
S: bis hin in die Ethik des Mitleids als innerstes Fundament einer gemeingesellschaftlichen Sozietät,
D: hat der normale Feindbegriff die Aufgabe, den anderen als möglichen Vertreter der einen Stelle,
S: die man selbst vertritt,
D: zu diskreditieren,
S: das heißt, den Anderen als Unmenschen
D: oder Untermenschen
S: im Vergleich zu sich als Menschen
D: oder Übermenschen
S: darzustellen oder hinzustellen,
D: nur um das allgemeinste Beispiel
S: aus der jüngeren Geschichte
D: zu nennen.
S: Der Unmensch ist eine Blindformel,
D: in die jeder den Anderen hineindefinieren kann,
S: nur um sich selbst als einen Menschen herauszudefinieren,
D: an dessen Stelle logischerweise der Andere als Unmensch nicht treten kann,
S: und die er sich nicht aneignen kann,
D: sonst wäre ja der Mensch an sich kein Mensch.
S: Und der Untermensch steht und fällt vollends in der Beliebigkeit,
D: er ist eine Variable dessen, der sich kraft der Verneinung des anderen zum Übermenschen stilisiert.
S: Diese Leerformeln,
D: die ideologisch verschieden besetzbar sind,
S: rauben dem Anderen letztlich die Chance, ein Feind zu sein,
D: das heißt als seines Feindes Feind Anerkennung zu finden,
S: auf ein und derselben Ebene
D: und an zwei verschiedenen Positionen,
S: die gerade deshalb zu trennen und nicht auszutauschen sind,
D: weil die moralische Norm der Selbstversetzung in andere,
S: die dem normalen Kriegsbegriff des Feindes zugrundeliegt,
D: nicht anwendbar ist in diesem Fall,
S: im Kleinkriegsfall,
D: in dem ein Mensch eines anderen Menschen Feind sein kann,
S: in Anbetracht seiner Gleichwertigkeit und gleichen Würde,
D: die durch und durch konventionell ist.
S: Wie kann einer den anderen als Feind betrachten, ohne ihn in irgendeiner Weise herabzusetzen oder schlecht zu machen?
D: Dieser Frage werden wir uns bald ausführlich widmen müssen.
S: Der Andere ist jedenfalls nicht deshalb Freund, weil er anzuerkennen ist,
D: so wie er einem selbst gegenüber steht,
S: ohne dass einer sich in den anderen hinein versetzt, verschießt
D: oder hineinverschießt,
S: um ihn so oder so als einen anderen zu vernichten.
D: Weshalb wir auf diesem Punkt so herumreiten,
S: sehr verehrtes Publikum,
D: das ist schnell erklärt.
S: Wir eröffnen schließlich keine Militärschule, sondern ein Festival,
D: in dem die Kunst zum Zug kommt.
S: Ja, es ist,
D: sehr verehrtes Publikum,
S: die Kunst, diese ganz Andere,
D: Hauptfeindin Nummer eins,
S: in die ich mich nicht selbst versetzen kann.
D: Gerade die Kunst scheint jedoch geradezu dadurch definiert zu sein,
S: durch die Selbstversetzung ins Andere,
D: die sie verspricht und gleichzeitig ausschließt.
S: Der sogenannte Kunstfreund,
D: ein weiterer Feindbegriff,
S: ein Freund der Kunst also nimmt das Versetzungsversprechen für bare Münze,
D: er gebraucht die Fiktionalisierung als ein Medium der Selbsteinfühlung
S: und versteht sie insofern, als er sich selbst versteht,
D: ja im Kunstwerk,
S: sei es Musik, Literatur, Theater oder bildende Kunst,
D: zum vollendeten Genuss seiner selbst gelangt.
S: Der Kunstfreund ist gleichsam der natürliche Feind des Künstlers,
D: der ja als Produzent zu keinem Preis in die Position des Konsumenten geraten möchte,
S: und sich deshalb die Kunst so weit wie möglich vom Leib hält.
D: Die beste Strategie dafür ist nach wie vor die, dass man sie einfach macht,
S: denn indem man sie macht, spielt sie sich außerhalb von einem selbst ab,
D: und nicht etwa nur in den eigenen Geschmacksknospen und Gehirnen.
S: Sicher, sobald ich einen Farbfleck sehe,
D: oder einen Takt höre,
S: glaube ich, dass der Fleck und mein Sehen
D: oder der Takt und mein Hören
S: eine innere Verbindung eingehen,
D: dass sie womöglich identisch sind,
S: was auf den Fleck als gesehenen Fleck
D: oder den Takt als gehörten Takt
S: ja auch zutrifft,
D: nicht jedoch auf den gemachten Takt
S: oder Fleck,
D: den ich im Machen nicht höre
S: oder nicht sehe,
D: da er soeben ganz unabhängig von mir da draußen entsteht,
S: meinem Sehen und Hören gegenüber fremd ist,
D: an der Position des anderen,
S: das ich mir nicht aneignen kann, so unbefleckt
D: und taktlos
S: wie ich bin
D: und wie ich bin.
S: Wenn ich jedoch selbst Flecken mache
D: oder Takte,
S: dann kann ich sie nicht sehen
D: oder hören,
S: denn sonst hätte ich sie ja schon gemacht, sie wären ja schon sichtbar
D: oder hörbar
S: und so würde sie auch gar nicht erst machen können.
D: So möchte ich also auch nicht einmal ein Klecks von all dem,
S: was ich hervorbringe,
D: selbst sein,
S: eine selbstgemachte Klecksexistenz führen,
D: die ich ja gerade deshalb in die Welt setze,
S: dass sie mir gegenüber als mein äußerer Feind auftritt und andauert.
D: Nun glaubt freilich der Kunstfreund, all das würde geschehen, nur damit er etwas zu hören oder zu sehen bekommt,
S: womit wir sogleich eine scharfe Grenze zum rezeptiven Kunstbegriff ziehen wollen,
D: der freilich in ganz anderen Festivals zur Anwendung kommen kann.
S: Soweit wir jedoch im Rahmen unserer Kleinkriegsübereinkunft,
D: guerilla convention,
S: von Kunst reden, sprechen wir sie als ein uns selbst gegenüber fremdes, anderes an,
D: nicht dazu angetan, uns in ein moralisches oder wohlgefälliges Verhältnis zu uns selbst zu versetzen,
S: so wie es die klassische, idealistische Ästhetik will.
D: Nietzsche hat einmal gesagt, diese wäre ein Selbstverständigungsprodukt des Publikums,
S: nicht des Künstlers,
D: und dem können wir uns hier nur anschließen.
S: Damit haben wir vor Ihnen,
D: sehr verehrtes Publikum,
S: nur die allgemeinsten Grenzlinien gezogen,
D: mit denen wir dieses Festival in seinem eigenen Namen
S: guerilla convention
D: von anderen zu unterscheiden versuchten.
S: Andernfalls wüssten wir nicht, was wir hier eigentlich eröffnen wollen.
D: Es geht um ein Festival des Anderen
S: als eines Feindes des Selben,
D: womit wir zumindest zwei abstrakte Positionen markieren,
S: gleich, wie diese zu besetzen sind,
D: die darin übereinstimmen,
S: dass ihr gegenseitiges Verhältnis das der Feindschaft sei.
D: Bevor wir dieses Schema mit Inhalt erfüllen
S: und mit eigenen Geschichten ausmalen,
D: sei eine Warnung ausgesprochen.
S: Wenn wir uns die bekannteren Beispiele von guerilla vor Augen führen,
D: die zu irgendeinem hehren Erfolg führen sollten,
S: auch wenn dieser letztlich nicht erreicht wurde,
D: dann können wir uns sicher sein, dass diese Beispiele unpassend sind
S: oder eben deshalb schon ein anderes Muster exemplifizieren,
D: weil mit dem Erfolg der Andere als Feind reduziert werden sollte,
S: vernichtet oder zum Freund gemacht,
D: was dem normalen Kriegsbegriff
S: beziehungsweise dem normativen Begriff des Handelns
D: entspricht.
S: So gibt es für uns vor allem keine heroische oder romantische,
D: an Glück und Not der Menschen orientierte,
S: guerilla-Verehrung,
D: die von Grund auf etwas ganz anderes verehrt,
S: den normalen Krieg und die entsprechende Moral,
D: beides zusammengefasst im Idealbild eines moralisch legitimierten Kleinkriegshelden
S: wie es das Che-Klischee ist,
D: des leidenschaftlichen Legionärs einer besseren Menschheit
S: in der besten aller möglichen Welten,
D: befreit von allem, was dem Begriff des Feindes empirischen Inhalt verleihen könnte.
S: Mit der Zielvorstellung eines feindlosen Gesellschaftsparadieses,
D: wie es teils auch Marx vor Augen schwebte,
S: als er den Klassenfeind ideologisch deklassierte,
D: im Namen einer ebenso ideologischen Geschichtsnotwendigkeit einer herandrohenden allgemeinen Klassenlosigkeit,
S: damit also,
D: sehr verehrtes Publikum,
S: ist unsere Kleinkriegsübereinkunft
D: eines andauernden Alle-gegen-Alles
S: nicht vereinbar.
D: Auszumachen bleibt
S: freilich
D: was dieses "gegen" bedeutet.
S: Thomas Hobbes begreift den Kleinkrieg eines jeden gegen jedweden anderen,
D: wir ersparen Ihnen die lateinische Formel,
S: als den gesellschaftlichen Naturzustand,
D: die wirklich schuldlose, also paradiesische Menschenverfassung
S: so, wie sie vor allen sogenannten Institutionen aufzufassen ist,
D: von denen der offizielle Krieg,
S: so, wie er erst einmal organisiert werden muss,
D: nur ein Beispiel ist.
S: Zu unterscheiden bleibt dieser womöglich globale Krieg vom Kleinkrieg aller gegeneinander
D: derart, dass hier jeder jedem unmittelbar gegenüber steht,
S: während dort ihr Verhältnis durchaus vermittelt zu denken ist,
D: wie zum Beispiel durch ein allgemeines Feindbild,
S: welches offenkundig abstrakt ist,
D: durch die Entfernung definiert.
S: Die Frage ist also, wie die Dichotomie gedeutet werden kann,
D: das paradigmatische Oppositionsverhältnis von mindestens zwei Positionen,
S: die sich zwar denknotwendig gegenseitig voraussetzen,
D: ein Feind kann nur seines eigenen Feindes eigener Feind sein,
S: und die sich damit dennoch nicht dialektisch
D: oder letal
S: in einer Position allein aufheben lassen.
D: Das formale Skelett,
S: die topologische Struktur,
D: liegt auf der Hand.
S: Hier
D: gegen dort,
S: und jetzt
D: gegen sodann
S: sowie dieses gegen jenes.
D: Zeit also, dem ein wenig Fleisch zu geben.
S: Die Frage ist nur, welches.
D: Wir halten am alten Totemtier der Guerilla,
S: den Maulwurf,
D: fest.
S: Dieses im Verborgenen wühlende Geschöpf hat seine Bedeutung noch lange nicht eingebüßt.
D: Im Gegenteil!
S: Die wenigsten Menschen haben je einen Maulwurf zu Gesicht bekommen.
D: Seine Behaarung hat keinen Strich.
S: Sie behindert den Maulwurf daher in keiner Weise,
D: ganz gleich, wie er sich unter der Erde beim Laufen auch dreht und wendet.
S: Setzt man einen Maulwurf auf lockere Erde, ist er innerhalb von fünf Sekunden im Erdreich verschwunden.
D: Manchmal empfiehlt es sich jedoch, die Gestalt der Schlange anzunehmen.
S: In allen Bedeutungen.
D: Der Guerillero wird zunächst mit einer Schlange verglichen, die am Wegesrand liegt.
S: Zischt, wenn man sich ihr nähert.
D: Nimm deinen Stab, und wirf ihn hin.
S: Er wird zu einer großen Schlange werden.
D: Eure Worte sollen beißen.
S: so wie eine Schlange.
D: Schlangen!
S: Otternbrut!
D: Und so muss jede Schlange erhöht werden:
S: eine Kreatur, die dank ihrer Wendigkeit an die Horizontale vorzüglich angepasst ist,
D: an eine flache, transparente, ständig Gestalt und Farbe wechselnde Welt.
S: Die Schlange macht aber auch in der Vertikalen eine gute Figur.
D: Entscheidend ist die Unvermitteltheit
S: und Plötzlichkeit,
D: die Plötzlichkeit eines Stromschlag,
S: mit der der Guerillero operiert.
D: Er liegt im ständigen Kampf mit allen Regierungen,
S: nicht um Missbräuche anzugreifen,
D: sondern bloß, um die Frage nach der Vollmacht zur Herrschaft abzuhandeln.
S: Seine eigentliche Kraft nimmt er aus der völligen Voraussetzungslosigkeit,
D: aus der selbst gesetzten Freiheit,
S: die es ihm erlaubt, in das Reich des Unbedingten vorzudringen.
D: Man kann sich nicht auf ihn einstellen.
S: Vielleicht platzt in ihm etwas.
D: Fünf Finger sind eine Faust,
S: 2 Männer 1 Faust.
D: Einmal sind alle Zäune mit Fäusten bemalt;
S: ein andermal wieder prangt auf dem höchsten Kirchturm eine mächtige Faust;
D: ein drittes Mal sind alle Wege mit kleinen gestanzten Fäusten bestreut.
S: Wir verstehen uns sehr gut auf den Kampf.
D: Wir ziehen in die Nacht.
S: Wir schleichen leise um die Häuser,
D: ziehen um die Häuser.
S: Ich verstehe es, wie ein Käuzchen in die beiden hohlen Hände zu pfeifen. Ich will pfeifen,
D: aber dann ist wieder nichts.
S: Ich sehe Gestalten, aber dann sind es Äste von Bäumen oder Sträucher am Weg.
D: Wir horchen nach allen Seiten,
S: Zorn anzuzeigen.
D: Liebe geht durch den Magen.
S: Zorn durch die Nase.
D: Durchs Nasenloch.
S: 2 Männer 1 Nasenloch.
D: Heftig atmend,
S: aufgebracht schnaubend.
D: Und die Erde beginnt zu schwanken und zu beben,
S: und die Grundfesten der Berge, sie erbeben,
D: und sie schwanken ständig hin und her.
S: Rauch steigt auf,
D: und Feuer frisst ständig.
S: Kohlen flammen auf.
D: Wir machen die Finsternis zu unserem Versteck.
S: Rings um uns her
D: dunkle Wasser,
S: dichte Wolken,
D: die vorüberziehen,
S: Hagel und brennende Feuerkohlen.
D: Zeit nehmen.
S: Zeit geben.
D: Zeit donnert,
S: die Stimme erschallen zu lassen,
D: Grimm steigt auf in der Nase,
S: glühender Eifer
D: im Feuer eines Zornausbruchs.
S: Wir werden reden müssen.
D: Wir haspeln zum Teil auch, um die Zuschauer zu überzeugen.
S: Es existiert eine gemeinsame Sprache,
D: eine gemeinsame Erfahrung.
S: Es ist möglich, dass das, was wir sagen, auch die anderen verstehen
D: und nicht unbedingt für Wahnsinn halten.
S: Als zwänge da einer die Sprache mit der Peitsche, sich begreiflich auszudrücken,
D: Macht auszuüben,
S: schärfer als ein zweischneidiges Schwert.
D: Man muss auch unbedingt hinter den Rücken der Worte spähen.
S: Der Wahnsinn der Freiheit verbreitet sich wie ein Lauffeuer.
D: Das Erstaunen der Bewohner ist verständlicherweise unbeschreiblich.
S: Die steilen Wege werden stürzen müssen,
D: und jede Mauer wird fallen.
S: Geratet in Zorn.
D: Seid erzürnt.
S: Entbrennt.
D: Solcher Zorn ist nicht sinnlos.
S: Er beruht auf absolut stichhaltigen Gründen
D: und bleibt nie ohne Wirkung.
S: Zorn kundtun.
D: Zorn spüren. Zorn empfangen.
S: Zorn geben.
D: Zornergeben Zorn geben.
S: Zorn nehmen.
D: Ein Windsturm,
S: Grimm selbst ist ausgegangen,
D: ein dahinfegender Sturm.
S: Zorn wird sich nicht abwenden, bis er vollzogen ist,
D: und bis er ausgeführt haben wird, wozu er ausgesandt,
S: bis er ausgemerzt haben wird das Diminutivum der Gedanken.
D: Er trägt einen Namen, den niemand kennt
S: außer er selbst.
D: Einen Namen des Grimmes des Zorns.
S: Zorn wird erregt,
D: gespürt,
S: Zorn entbrennt.
D: Zum Zorn wird gereizt.
S: Ruft Zorn hervor.
D: Häuft Zorn auf.
S: Es ist der Tag des Zorns.
D: Draußen sind die Hunde.
S: Seid zornmütig.
D: Nährt den Zorn.
S: Bewahrt eine gereizte Stimmung.
D: Bleibt dem Zorn ergeben,
S: Mit eines Waldstroms wütendem Erguss.
D: Heilloser und entsetzlicher Guerillero!
S: Der Guerillero ist gleichsam ent-setzt,
D: jeder Zusammenhang scheint etwa wie zerrissen.
S: Das ist das Oevre des Guerilleros:
D: sein heftiger, auf einem Punkt hintreibender Wille.
S: Die Nationen wurden zornig,
D: und sein eigener Zorn kam.
S: Die Dokumente zeigen, welchen Gefahren sich ein Guerillero unvermeidlich aussetzt,
D: wie jeder andere auch,
S: wie ich auch,
D: ich auch.
S: Welche Kräfte hier gebändigt werden müssen!
D: Im Innersten des Inneren des Zorns
S: und noch tiefer.
D: Im untersten Untergrund.
S: Unten,
D: weiter unten,
S: am weitesten unten,
D: am allerweitesten unten,
S: am allerwertesten, allerweitesten unten,
D: ohne entdeckt zu werden.
S: Für einen Guerillero ist das Allerunterste wie für den Hohepriester das Allerheiligste im Tempel Salomos in Jerusalem.
D: Der innerste Raum des Widerstands,
S: der unterste Raum des Untergrunds.
D: Der Guerillero nimmt das Unterste in Beschlag.
S: Guerilleros sind die Figuren jenes Ortes.
D: Das Allerunterste bildet jedoch keinen Gegensatz zu einer oberen Welt. Es ist kein Zufluchtsort, an dem man abseits von der Welt leben könnte.
S: Das Allerunterste ist der Ort, wohin sich seine Figuren nicht zurückziehen, sondern den sie als ausschließliche Wirklichkeit erleben,
D: als einzigen Ort des Agierens bzw. Agitieren.
S: Daher wird das Untere,
D: Unterste, Allerunterste,
S: als Sinnbild und Wohnstätte des Himmels selbst gebraucht.
D: Ein für allemal.
S: Alle für einmal.
D: Für die bestimmte Zeit, die jetzt da ist
S: und hinunterreicht in das Unterste, unter jede Bedeckung,
D: hinter jede Blende,
S: wahrhaftigem Herzens und in voller Gewissheit.
D: Wir schreiben alles auf alten Schreibmaschinen mit vielen Durchschlägen.
S: Um das Geräusch der Schreibmaschinen zu dämpfen, hängen wir schwere Wolldecken vor die Fenster.
D: Oft ist es nicht möglich, die Eisenbahn oder die Post zu benutzen.
S: Vielfach ist die Benutzung eines Autos ausgeschlossen.
D: Zum Glück gibt es noch das Fahrrad,
S: aber selbst hier gibt es Probleme mit den Reifen.
D: Hauptsache ist, man kommt voran.
S: In meiner Tasche habe ich drei Ausweise mit falschen Namen.
D: Einer ist für dich bestimmt,
S: ein anderer für mich.
D: Einmal wurden wir auf einer der Brücken, die sich über die Salzach spannen, von einer Polizeistreife angehalten und von Kopf bis Fuß systematisch durchsucht.
S: Wir wurden gesucht, aber nie gefunden.
D: Ja, rückblickend muss ich sagen, dass all diese Erlebnisse für mich wirklich eine bereichernde Erfahrung waren.
S: Ich auch.
D: Ich drehe das Radio auf volle Lautstärke.
S: Ich betätige einen Schalter, der eine spezielle Glühbirne aufleuchten lässt.
D: Alle, die in der ganzen Welt in den Untergrund gehen müssen, werden geeint bleiben.
S: Sie werden sich bemühen, miteinander in Verbindung zu bleiben.
D: Jeden ersten Sonntag im Monat gehen wir zu einem bestimmten Platz in den Bergen.
S: Julius hat sich für mich einen besonderen Hüfthalter mit einer versteckten Tasche ausgedacht.
D: Einmal wurden wir von zwei Gendarmen angehalten.
S: Einmal wurden wir zu einem Psychiater bestellt.
D: Uns wurden Briefe geschickt, in denen erklärt wurde, dass keine Briefe geschickt werden sollten,
S: Faxe gefaxt, in denen erklärt wurde, dass keine Faxe gefaxt werden sollten,
D: Mails gemailt, in denen erklärt wurde, dass keine Mails gemailt werden sollten.
S: Deine Adresse ist mir immer noch unbekannt.
D: Ich kenne nur deine Tarnnamen
S: wir denken uns alle möglichen Decknamen für uns aus: "Langer Bep",
D: "Schwarzer Koos",
S: "Blonder Gerrit",
D: "Remie" und "Alte Truus",
S: "Kohlhaas", "Homburg", "Hermann".
D: Um sich davor zu schützen, dass Spione eingeschleust werden, darf niemand ohne die Zustimmung des anderen jemand zu einem Treffen mitbringen.
S: Meine Damen
D: und Herren,
S: diese Regelung erweist sich immer wieder als weise.
D: Es ist äußerst wichtig, dass ein jeder seine eigene Aufgabe verfolgt
S: und nicht herauszufinden sucht, wo der andere sich aufhält.
D: Niemand darf die Adresse eines anderen ausplaudern,
S: selbst nicht sehr vertrauten Freunden.
D: Macht gute Notizen über Personen, die sich dem Kampf gegenüber feindselig verhalten. Bewahrt die Namen und Anschriften dieser Personen gut auf.
S: Trefft besondere Vorsichtsmaßnahmen, ehe Ihr, wenn überhaupt, je wieder vor die Tür geht.
D: Manchmal ist es notwendig, einen Kurierdienst einzuführen.
S: Ich bin immer noch Partisan.
D: Ich immer noch verheiratet.
S: Manche sind gezwungen, in den Untergrund zu gehen, aus dem sie erst 40 Jahre später wieder zum Vorschein kommen sollten.
D: Uns sollte das eine Lehre sein.
S: Ob im Untergrund
D: oder nicht.
S: Es gibt Bewegungen.
D: Es kommt zu Erschütterungen.
S: Jede mit ihrem eigenen Ziel.
D: Anstelle des Wortes "Guerilla" benutzen wir zum Beispiel das Wort "Familie"
S: oder "Firma".
D: Wir können nie wissen, wie scharf unsere Korrespondenz zensiert wird.
S: Wir wissen zumindest, was gemeint ist.
D: Wenn die Gegner denken, sie könnten uns entmutigen
S: oder vernichten,
D: dann haben sie sich getäuscht.
S: Ich bin dabei!
D: Ich bin auch dabei!
S: Meine Mutter häkelte mir eine Tasche, die etwa die Größe eines Plakats hat.
D: Die meine steckte die Plakate in eine Öffnung an der einen Seite der Tasche und häkelte diese Öffnung dann zu.
S: Außerdem nähte die meine in meine Kleidung Geheimtaschen ein und fertigte zwei Strumpfhaltergürtel an.
D: Schließlich waren wir ja hierher gekommen, um Dachse zu beobachten,
S: und hier würde der Wind immer schön in unsere Richtung wehen.
D: Zwar sind die Augen vom Dachs
S: - ganz wie seine Ohren mit den weißen Spitzen -
D: ziemlich klein, aber wir haben gelernt, nie zu unterschätzen, wie fantastisch dieses Tier hören und riechen kann.
S: Wir wissen also genau, wenn wir auch nur das leiseste Geräusch von uns geben würden
D: oder der Dachs uns wittern würde,
S: wäre er für den Rest der Nacht wieder im Untergrund verschwunden.
D: Und den Beweis dafür haben wir hier. (Handy hochhalten)
S: Wir haben Jahrzehnte auf eine solche Gelegenheit gewartet.
D: Mein Herz ist tief bewegt.
S: Meins auch.
D: 2 Männer 1 Herz.
S: Ihr habt euch sehr angestrengt.
D: Wir auch!
S: Wir leben in schwierigen,
D: ja außergewöhnlich schwierigen
S: Zeiten,
D: in mühevollen Arbeiten viel mehr,
S: in Gefängnissen viel mehr,
D: unter Schlägen bis zum Übermaß,
S: oft dem Tod nahe.
D: Fünfmal erhielt ich vierzig Streiche weniger einen.
S: Dreimal wurde ich mit Ruten geschlagen
D: Einmal wurde ich gesteinigt
S: oft auf Reisen,
D: in Gefahren von Flüssen,
S: in Gefahren von Wegelagerern,
D: in Gefahren in der Stadt,
S: in Gefahren in der Wildnis,
D: in Gefahren auf dem Meer,
S: in Gefahren unter falschen Freunden,
D: in anstrengender Arbeit und Mühsal,
S: oft in schlaflosen Nächten,
D: in Hunger und Durst,
S: oftmals der Nahrung entbehrend,
D: in Kälte und Nacktheit.
S: Manche von uns kamen vier- oder fünfmal oder sogar noch öfter ins Gefängnis.
D: Wir alle erinnern uns.
S: Hätte es sich nicht erwiesen, dass Menschen gegen uns aufstanden,
D: sie hätten uns sogar lebendig verschlungen.
S: Gesegnet sei, der uns den Zähnen zum Raub gegeben hat.
D: Unsere Seele ist wie ein Vogel,
S: entronnen der Falle der Vogelsteller. Die Falle ist zerbrochen,
D: wir selbst entkommen.
S: Bringt Kohlen und Holz,
D: Kühlschränke, Nahrungsmittel und Werkzeuge.
S: Stellt eifrig eure Dienste zur Verfügung.
D: Zum Tode verurteilt und wieder begnadigt.
S: Macht euch einen Unterstand.
D: Untersteht euch,
S: ohne zu sagen, wo ihr euch aufhaltet.
D: Meister der Überraschung,
S: dringt plötzlich vor,
D: wie über Nacht.
S: Errichtet die Kampflinien inmitten der Nahrungsmittelvorräte.
D: Das eine zerstört,
S: und gleichzeitig bewahrt das andere.
D: Es scheint, als reiße die Zeit die Handlung auf, sobald das Wort "plötzlich" auftaucht,
S: aus dem Untergrund auftaucht.
D: Dort, wo dieses Wort erscheint, sprengt es die gegebene Szene,
S: - Geschenkt! -
D: nimmt der Szene die Gegebenheit.
S: Etwas, was plötzlich auftritt, reißt sich von der Vergangenheit,
D: bindet sich aber auch nicht an die Zukunft,
S: existiert, solange es heute heißen mag, während das Morgen gar nicht existent ist.
D: Im Plötzlichen bekommt die Zeit einen Riss.
S: Der universelle Konsens,
D: eine der großen Hoffnungen der bürgerlichen Kultur,
S: zerrinnt in nichts.
D: Und dadurch gerät auch die andere Säule dieser Kultur ins Wanken: das Vertrauen in die Dauer,
S: das die Voraussetzung jeder Anhäufung ist.
D: Das Vertrauen zerrinnt,
S: versinkt
D: mit der Anhäufung.
S: Es wird nachgerade plötzlich erschüttert,
D: "als ob das Firmament einstürzte", wie Kleists Prinz von Homburg uns wissen lässt.
S: Im Plötzlichen findet nach der Tradition der Mystik gewöhnlich die Erleuchtung statt,
D: hier jedoch ist es die Revolte.
S: Der Guerillakampf schreitet voran.
D: Vom Freund den Freund hinweg,
S: die Braut vom Bräutigam,
D: vom eignen Kind hinweg die Mutter schreckend."
S: Je näher sie sich kommen, umso auffälliger die unüberbrückbare Entfernung zwischen ihnen.
D: Nicht durch die Überbrückung der Gegensätze,
S: sondern durch ihre Verschärfung versucht der Guerillero Ordnung in die Welt zu bringen.
D: Alles scheint auf seinen Platz zu sein,
S: und doch ist nichts auf seinen Platz,
D: auf dem Platz eines jeden sitzt etwas anderes.
S: Um schließlich zum Ende zu kommen
D: beziehungsweise endlich zum Schluss,
S: kommen wir nochmals auf die allgemeine Struktur zurück,
D: mit der sich der Kleinkrieg vom normalen Krieg
S: sowie von allgemeinen Handlungsnormen
D: unterscheidet.
S: Wie wir jetzt,
D: nach all den genannten Beispielen,
S: sagen können, steht im Mittelpunkt von jeder Auseinandersetzung,
D: die sich im direkten vis-á-vis abspielt,
S: das Prinzip der Individuation.
D: Gleich in welcher Situation, eins grenzt sich immer gegen das andere ab,
S: face to face,
D: wobei die Abgrenzung,
S: die kritische Phase des Zwiestreits,
D: umso heftiger geführt wird, desto mehr sich die Dinge in ihrer je eigenen Art und Weise gleichen.
S: Ein Glas Wasser und ein Bier sind leicht voneinander zu unterscheiden,
D: für uns jedenfalls,
S: sie bieten daher dem Prozess der Individuation,
D: in dem sich herausstellt, welches welches von welchem ist,
S: nicht viel Angriffsfläche.
D: Auch wenn Wasser und Bier ihren Platz austauschen,
S: räumlich oder auch zeitlich ineinander übergehen,
D: fällt es uns immer noch leicht, eins im Unterschied zum anderen herauszugreifen.
S: Das heißt umgekehrt, Wasser ist nicht so leicht mit Bier auszutauschen oder zu ersetzen,
D: es sei denn nach dem sehr entfernten Aspekt des Fließverhaltens
S: oder des Flüssigkeitsbedürfnisses.
D: Ganz anders ist es mit zwei Bieren,
S: die sich kaum voneinander unterscheiden lassen,
D: Bieren also derselben Sorte in gleichen Gläsern
S: gleich voll gefüllt
D: oder geleert.
S: Tausche ich dann meines gegen deines,
D: und ich mein deines gegen dein meines
S: dann ist über kurz oder lang absehbar, dass wir nicht mehr angeben können, welches welches ist.
D: Daran erst könnte sich die richtige Auseinandersetzung entzünden,
S: ein Kleinkrieg in dem Außmaß, in dem er uns die ganze Zeit vorschwebt.
D: Die Individuation zweier so derart gleichartiger Dinge,
S: wie es dieses und jenes Bier sind,
D: ist jedoch nicht nur eine Technik der Gefahrabwendung,
S: dass ich irrtümlich eins statt des anderen herausgreife,
D: sondern in einem viel grundsätzlicheren Sinne eine Technik des Abstandhaltens.
S: Sie ermöglicht überhaupt erst die Unterscheidung des einen vom anderen.
D: Nun weist unser Beispiel offensichtlich einen Haken auf,
S: denn ein Bier ist selbstverständlich nicht selbst darauf angewiesen, sich vom anderen,
D: durch und durch gleichartigen,
S: zu unterscheiden, um für sich selbst ein Bier sein zu können
D: in genau dem Sinn, in dem es auch ein anderes Bier sein könnte.
S: Andererseits streicht das Bierbeispiel die Konventionalität heraus,
D: die willkürliche Festsetzung der Grenzen alles dessen, was im Unterschied zum anderen als das eine Bier zu bezeichnen ist,
S: und diese Grenzfestlegung trifft auf alle diejenigen Prädikate zu, mit denen wir uns voneinander im Einzelnen zu unterscheiden versuchen,
D: gerade und auch wenn diese Prädikate auf uns alle gleichermaßen zutreffen.
S: Begreife ich mich zum Beispiel nur einmal als Künstler, dann habe ich dieses Prädikat gewiss schon von einem anderen übernommen,
D: wie von mir zum Beispiel,
S: und doch unterscheide ich mich damit zugleich von dir als einen anderen Künstler,
D: als Feindkünstler oder Künstlerfeind,
S: mit dem ich gerade im Punkt der Übereinstimmung keinesfalls austauschbar bin.
D: Denn wir wehren uns gegen die Ersetzbarkeit
S: aufs Entschiedenste nämlich gerade in dem einen gemeinsamen Prädikat,mit dem wir uns voneinander nur noch im Einzelnen unterscheiden.
D: So bin ich auch mit dem allgemeinsten Prädikat zu charakterisieren,
S: als Mensch zum Beispiel,
D: und in dieser allgemein menschlichen Hinsicht bin ich am allerwenigsten mit jemand anders auszutauschen oder zu ersetzen,
S: der ebenfalls ein Mensch ist.
D: Natürlich herrscht in genau dieser Hinsicht der bitterste Widerstreit,
S: in der eins dasselbe wie das andere zu sein scheint.
D: Es geht also hier,
S: im Rahmen unseres hiermit vereinbarten Kunstkleinkrieges,
D: nicht um gute gegen schlechte oder böse,
S: hohe gegen niedere beziehungsweise schöne gegen hässliche
D: Dinge der Kunst,
S: sondern um die streitbare Kunst des Gleichartigen
D: und Gleichgültigen,
S: das sich in jedem seiner einzelnen Teile,
D: all seinen Partikeln und Partisanen,
S: durchzusetzen
D: und zu behaupten
S: sucht
D: oder zumindest versucht.
S: In einer Welt, in der immer weniger Dinge dieselben bleiben
D: wie die, die sie nun einmal sind,
S: und in der deshalb immer mehr nach einer übergreifenden Identität schreien,
D: die abgelöst von den alten Institutionen
S: wie Kirche, Staat oder Stand, Familie oder Klasse,
D: nur noch als unterschiedsvernichtende Dauerveränderung definiert wird,
S: in dieser Welt also verlagert sich das Bleiben,
D: das sie braucht,
S: aus ihr heraus in eine Gegenwelt.
D: Wir leben faktisch von der Gegenidentität
S: eines permanent widersetzlichen Nicht-Wir,
D: hilfsweise von ihrer Simulation durch die Kunst,
S: die unseren absoluten Gegnerbedarf
D: und Verfeindungszwang
S: zum Ausdruck zu bringen
D: und zu stillen
S: verhilft.
D: Und vergessen Sie nicht,
S: sehr verehrtes Publikum,
D: wie Georg Tabori sagen würde,
S: der Andere ist immer in der Überzahl.
D: Grund genug, ihn nicht geringzuschätzen.