Broadlahn: "Rand der Welt"-Tour
Weltmusik, urbane Volksmusik und jazzige Landler.
ARGE konzert
1992 standen sie im alten Kulturgelände im Rahmen der Reihe Global Sounds auf der Bühne und trieben 400 Leute zum Toben – wer sich da noch erinnern kann und möchte.
Sie gehören seit vielen Jahren zu den bekanntesten Musikexportartikeln der Alpenrepublik: Broadlahn. Respektlos mischen sie Mundart mit Monk, Lyrik mit Lamento, Rock mit Roots – heraus kommt eine intelligente Melange. Hörgenuss garantiert.
Gegründet im April 1982 als „Four in one“, nannte sich die Band gleich ein Jahr später um in Broadlahn und startete erste Versuche, den Begriff Volksmusik neu zu definieren und Volksmusik weiterzudenken, ohne dabei den ursprünglichen Charakter zu verletzen.
Im Laufe der Jahre bereicherten sie ihren Sound: Orientalische Klänge kamen zum Jodler, Afro Feeling mischte sich mit Schleunigern, Texte erzählen vom bäuerlichen Alltag. Dollar Brand jodelt und türkische Gastarbeiter tanzen dazu. Seit 1989 spielt die Band unverändert in folgender Besetzung: Ernst Huber, Josef „Jimmy“ Ofner, Philipp Rottensteiner, Franz Schmuck, Reinhard Ziegerhofer, Reinhard Grube.
Im Jahr 1990 erschein das Debütalbum Broadlahn auf Extraplatte (wo sonst?!), das wichtige Akzente und Impulse für die österreichische Musikszene setzte, mehr noch, es zählt sicherlich zu den wichtigsten Alben, die jemals in Österreich erschienen sind. Acht Jahre vergingen also bis es zum ersten Album kam, drei weitere zum zweiten Album Leib & Seel (Ariola BMG), fünf Jahre später erschien das dritte Studioalbum Almrauschen im Weltempfänger (Extraplatte) und nun, neun Jahre später, Studioalbum Nummer Vier mit dem Titel „Rand der Welt“. Für viele Bands wären derart lange Zeitspannen zwischen zwei Studioalben die reinste Katastrophe – sie wären weg vom Fenster, wie man so (un)schön sagt. An Broadlahn prallt derartiges allerdings ab, denn die Wanduhr tickt ja eh unaufhörlich, und bis man zu dem Punkt gelangt, meditative Selbstgespräche bei rhythmischem Ausdauersport zu führen, das kann eben dauern, wenn es sein muss n eun Jahre. „Weites Land, du fliegst so durch die Zeit/weites Land, du ziagst vorbei, gestern, morgen, heit“ heißt es in einer Strophe, geschrieben von Philipp Rottensteiner, und diese Überwindung von Zeit und Raum, die Überwindung und gleichzeitige Einbettung von diversen regionalen Musikstilen schafft Broadlahn auf dem Album …vom Rand der Welt in unnachahmlicher Manier, ich behaupte sogar (obwohl das Album erst seit Juni 2007 im Handel erhältlich ist), dass Broadlahn nie so gut war wie auf „…vom Rand der Welt“. Das mag auch daran liegen, dass die Texte eine spezielle Qualität besitzen, angesiedelt irgendwo zwischen Sehnsucht, Philosophie und Abgehobenheit. Herausragend von 16 hervorragenden Stücken, Jodlern, Liedern, ist das völlig irre Landfunk heute: Das Avunkulat von Ernst Huber – ja, tatsächlich, auch so kann man ein Lied betiteln – in dem sich Funkbrother Maceo Parker auf Überlandpartie begibt, „und aus an Viech mit vier Haxn/entwickelt sich da Wal/und mir tuan langsam lachn und le is e jodeln/und arschling durchn Jungmoaß“ – Broadlahn erklimmt hier den höchsten Gipfel, quasi den absoluten Rand der Welt. Ein heißer Sprühregen aus Lava prasselt da auf einem nieder, entwickelt und zustande kam ein Welt-Groove, der sich mit allen Groove-Meistern dieser Welt messen kann, aber locker auch noch. Da geht die Post ab. Apropos Post: Diesem Giganten fast ebenbürtig ist das ebenfalls ziemlich abgefahrene Lied Postbus von Reinhard Grube mit der Grundaussage „i hätt so gern/auf Tahiti a Alm“, und genauso hört sich das Lied dann auch an.
Rezensionen:
„Was gibt es Neues? Z.B. Jodler einer bisher geheim agierenden streng antineoliberalen Stammesgemeinschaft aus den österreichischen Alpen, einen jodelnden, schifliegenden (schief liegenden) Mönch namens Thelonius (rein äußerlich hat er was von Arvo Pärt, der übrigens sehr gerne Schi fährt), Postbusse (schönbrunnergelb) aus einem 50er Jahre Film, zinnerne Schöpflöffel von John Berger, Filme von Bert Breit, Zitronen und Knoblauch, herzliche Grüße an H. D. Thoreau, Begleitmusik zu winterlichem rhythmischen Ausdauersport, Geschichten vom Rand der Welt, Kirtagsmusik vom Aussterben bedrohte Kulturtechniken, vorkapitalistische ländliche Subsistenzwirtschafts- und Kommunikationstraditionen, geheimbündische Institution bäuerlicher Surrealisten angelehnt an Rituale der Freimaurer und Illuminaten,oder was sie dafür hielten wie nächtliches Rückwärtsgehen (arschling) in Jungwäldern (Jungmoas), die Synthese der ländlichen Tradition des langsam Lachens mit dem südindischen Lachyoga u.v.m.
Geplant ist auch ein Megaevent wie die „Rand der Welt“-Tournee von Quilk (ca. 50 handverlesene Einwohner) bis Sukdull, von Heanagschroa (OÖ) über Kleinsölk bis Niederöblarn,Untergrimming,Hinterstoder(ein unvergessliches Konzert auf einem Heuwagen ebendort war einer unserer wirklich großen Erfolge) …
nur Eingeweihte wissen es – nur real -nicht medial-alles völlig unprominent in den Zentren der Randregionen!!!“ (Extraplatte)
„Wenn in der Weiterführung von Thelonious Monks Intro: Misterioso in der Komposition von Franz Schmuck The Yodelious Monk das Saxofon zum Kikeriki-Krähen abhebt, spätestens, allerspätestens dann, weiß man, was in den letzten Jahren gefehlt hat: Neue Musik von Broadlahn. Lässt man mal das Live-Album aus dem Jahr 2001 beiseite – so dauerte dieses Fehlen nämlich überlange neun Jahre. Aber eigentlich erkennt man dies bereits nach den ersten 10 Sekunden des Albums, während sich das Karussell von Reinhard Grube langsam zu drehen beginnt. Dieses Gefühl von Heimat, aus der Sichtweise irgendwo mitten vom Rand der Welt, das alles nur Erdenkliche – und das unerdenkliche soundso – miteinander zu verschränken imstande ist – dieses Gefühl hervorzuschälen war immer schon ein besonderes Markenzeichen der steirischen Band. Am Album-Cover sieht man denn auch die Welt als große Wurzel, ein endloses Geflecht, nirgendwo beginnend, nirgendwo endend. Grenzen? Vergiss es! Wir haben nur diesen einen Planeten als Lebensraum und n ur dieses eine Universum als Ursprung. Oder, um im Duktus von Broadlahn zu bleiben: „Des Oa is in da Henn und die Henn is im Oa/des san zwoa in oan und oans in zwoa“.
(kulturwoche.at)