Bon Voyage Gustave S.
Laroque Dance Compagnie und ARGEkultur
ARGE performance
ARGE theater
„Erklär mir die Vögel – eine etwas peinliche Bitte für einen
Geschäftsmann“. Von
Anfang an stimmt etwas nicht mit Gustave. Der leichte Flügelschlag der Vögel
fasziniert ihn, die Gemeinschaft der Vögel und ihre Lust über Leichen
zu kreisen … „
Bon Voyage, Gustave S.“ beschreibt die Suche des einzelnen nach dem Ort,
an dem er in der Gesellschaft nützlich wird: Plätze, die kaum erreicht
gleich wieder zu Chimäre werden. Helene Weinzierls neue Produktion basiert
auf dem Roman „Die
Vögel kommen zurück“, des großen portugiesischen Schriftstellers
Antonio Lobo Antunes.
In zweieinhalb Jahren Produktionszeit hat Helene Weinzierl drei Annäherungen
an den komplexen Stoff unternommen, so dass nun aus Film, Tanz und Theater
eine dichte Bühnenperformance entsteht.
Bodo Hell (Rauriser Literaturpreis 1972, Erich Fried-Preis 1991. Literaturpreis
d. Stadt Wien 1999) hat in seinem Bühnentext für „Bon Voyage“,
die Vorlage radikal umgestaltet und neu gedeutet. Wie in Theatertexten von
Elfriede Jelinek erscheint dabei der Monolog, den Karsten Rühl spricht,
nur als „Kleid“, das rasch den Schauspieler
zu Personen formen kann und bald wieder zerfließt. Das Bild, das Antunes
als Agonie einer selbstgerechten Gesellschaft der 50er Jahre zeichnet, wird
in der Bearbeitung von Weinzierl und Hell ein erstaunlich genaues Porträt
aktueller gesellschaftlicher Zustände. Klar werden mit einem Mal Traditionslinien
der Unterdrückung,
wie auch die neuen gesellschaftlichen Tabus, die Gustave S. einmal mehr zur
Aufgabe zwingen.
In einem sich stetig beschleunigenden Kaleidoskop sprechen die Stimmen mit
und durch Gustave: seine Vergangenheit als hoffnungsfroher Unternehmerssohn
mischt sich mit seiner Gegenwart als verarmter Lehrer. Erinnerungen an seine
erste Frau aus vornehmer Gesellschaft, mischen sich mit obsessiven Traumbildern
von Vogelmenschen und sarkastischen Reflexionen über seine gescheiterte
Beziehung zur zweiten, kommunistisch engagierten Ehefrau. In schnell wechselnden
Perspektiven gelingt ein unsentimentales Gesellschaftsbild, das in rhythmischer
Montage immer mehr zum Zirkus wird, dessen tragikomischen Held und Hauptattraktion
am Schluß vor seiner ersten großen
Entscheidung steht.
Ohne jede „Saudade“, stellen Bodo Hell, Helene Weinzierl und Othmar
Schmiderer, der für Videodreh und Schnitt verantwortlich ist, eine mögliche
Perspektive zur Frage nach der möglichen Freiheit des einzelnen in der
Post-Wohlfahrtsgesellschaft her. Gustave S., wird selbst zum Zugvogel, der
keinen Platz, keinen Atem und kein Ziel findet, der schließlich aufbricht,
um in ein anderes Leben heim zu finden. Was er findet, kann er jedoch nur
von außen betrachten: „Ich bin endgültig
kein Vogel mehr, ich bin im Schlamm und Schlick von Aveiro vor Anker gegangen
wie ein unbrauchbares Boot, das auf das Skelett seiner Querrippen reduziert
ist, zerfressen von Muscheln und Tintenfischen“
- Choreographie/Regie/Konzeption Helene Weinzierl
- Co-Regie Claudia Heu
- Texte Bodo Hell, Antonio Lobo Antunes
- Cast/Bühne/Video Karsten Rühl
- Cast/Video Lisbeth Ebner-Haid, Julia Ebner, Marion Hackl, Anna Hauer, Claudia Heu, Margit Lindbichler, Giordana Pascucci, Dietmar Nigsch, Otto Pichler, Jeremy Silverstein, Albert Weilguny
- Dialog Coach Anna Hauer, Albert Weilguny
- Videodreh Bernhard Pötscher, Othmar Schmiderer
- Video Animation Petra Hinterberger
Antonio Lobo Antunes
Antonio Lobo Antunes weiß, worüber er schreibt, über Jahre hat er als Chefarzt
einer psychiatrischen Klinik in Lissabon gearbeitet. In einem seiner frühen
Romane Die Vögel kommen zurück von 1981 (deutsch 1989) schreibt er die Chronik
eines Selbstmörders. Seine damals unverhohlene Kritik an bürgerlichen Intellektuellen
und politischen Mitstreitern, sein unkonventioneller Gebrauch von Umgangssprache,
brachte Lobo Antunes massive Ablehnung von Seiten der portugiesischen Kulturelite.
Vertreter der dogmatischen Linken – während der Salazar-Dikatatur war Lobo Antunes
Mitglied der KP im Untergrund – erhoben den Vorwurf, seine Romane seien unpolitisch,
eine kleinbürgerlich Nabelschau. Es handelte sich damals wie jetzt um psychologisch
fundierte Studien, die tragische Biographien, von Tod und Krankheit, Trennungen
und unerfülltem Leben erzählen. Aber wenn Tschechov Recht hatte, zu sagen, dass
große Kunst nie deprimierend ist, dann lässt sich das mit Lobo Antunes Romanen
bezeugen.
Zum Inhalt
Gustav S. und seine Schwester stammen aus einer angesehenen, reichen und traditionellen
Industriellenfamilie. Der Vater hatte gehofft der Sohn werde später im florierenden
väterlichen Großunternehmen arbeiten, doch gegen die Erwartungen des Vaters
übernimmt er nicht dessen Betrieb, sondern flieht in die Philosophie, nimmt
ein Studium auf, schlägt eine Beamtenlaufbahn ein und unterrichtet an einer
Schule. Seine erste Frau, eine Schöne der vornehmen Gesellschaft, mit der er
einer Tochter hat, verlässt ihn. Bei der zweiten Frau, einer aktiven, fanatischen
Kommunistin aus der Arbeiterklasse stört den Spross aus angesehenem, reichem
und traditionellem Hause der Arme-Leute-Geruch und der Fanatismus mit dem sie
ihre kommunistischen Kampagnen betreibt.
Bodo Hell
Geboren am 15. März 1943 in Salzburg.
Studien am Salzburger Mozarteum (Orgel), an der Akademie für Musik und darstellende
Kunst in Wien (Film und Fernsehen) sowie an der Universität Wien (Philosophie,
Germanistik und Geschichte).
Lebt als freiberuflicher Schriftsteller in Wien, im Sommer als Senner auf einer
Alm in der Steiermark.
Literarische Publikationen seit den 70er Jahren experimentelle Prosa und Hörspiele,
Text-Foto-Bände, Filme.
Beiträge unter anderem für die Zeitungen „Die Presse“ und „Falter“ sowie für den
ORF.
Beschäftigung mit der zeitgenössischen französischen Literatur.
Zusammenarbeit u. a. mit Friederike Mayröcker, Ernst Jandl, Liesl Ujvary und Hil
de Gard.
1997 Leitung eines Kurses im Rahmen der September-Akademie der „Schule für Dichtung“.
Lebt in Wien.
Preise, Auszeichnungen
1972 Rauriser Literaturpreis des Landes Salzburg
1973 Staatsstipendium des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für Literatur
1975 Förderungspreis für Literatur des Theodor-Körner-Stiftungsfonds zur Förderung
von Wissenchaft und Kunst
1976 Förderungsbeitrag des Wiener Kunstfonds der Zentralsparkasse Wien für Literatur
1981 Förderungspreis der Stadt Wien für Literatur
1986, 1987 und 1993 Buchprämie des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst
1988 Förderungspreis des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für Erzählungen
1989-90 Elias-Canetti-Stipendium der Stadt Wien
1991 Erich Fried-Preis für Literatur und Sprache der Internationalen Erich Fried-Gesellschaft
Wien
1991 Kulturpreis der Marktgemeinde St. Johann im Pongau
1999 Literaturpreis der Stadt Wien
1999/2000 Projektstipendium für Literatur des BKA