POP UND POLITIK IV: Tonica Hunter und Jens Balzer über 'Cultural Appropriation'
Moderation: Martina Fladerer | In Kooperation mit FS1
In der Reihe POP UND POLITIK vermisst die ARGEkultur seit 2020 in loser Folge die Spannungsfelder zeitgenössischer Popmusik. Bislang haben wir mit Kid Pex und Jens Balzer über Verantwortung, mit Ted Gaier ('Die Goldenen Zitronen') über Protest und mit Heidi Süß und Tobias Ginsburg über Gender und Geschlecht im Rap gesprochen. Der Talk mit Tonica Hunter und Jens Balzer ist die vierte Ausgabe von POP UND POLITIK und beschäftigt sich mit einem aktuellen Thema: der Debatte um Formen kultureller Aneignung.
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Spätestens seit dem vergangenen Sommer ist die Debatte um Formen der kulturellen Aneignung auch im deutschsprachigen Raum angekommen. Doch die oft emotional geführte, teils groteske und von Missverständnissen, Halbwissen und gezielter Misinformation geprägte Auseinandersetzung um die vermeintliche (und nie stattgefundene) Zensur von Karl-May-Büchern und die Benutzung des Wortes 'Indianer' für Native Americans hat einen ernsthaften und historisch gewachsenen Hintergrund.
EVERYTHING BUT THE BURDEN heißt ein von Greg Tate herausgegebenes Buch aus dem Jahr 2003. Bereits der Titel verrät, worum es beim Vorwurf der cultural appropriation geht: um die systematische - und nicht zuletzt kommerzielle - Ausbeutung von Formen Schwarzer Kultur durch die weiße Mehrheitsgesellschaft. Bei der eines bei den Ausgebeuteten verbleibt: die Bürde rassistischer Diskriminierung.
Die Geschichte von Popkultur und Popmusik beispielsweise - vom Jazz zum Rock'n'Roll, vom Reggae zum Hip-Hop - ist geprägt von solchen Aneignungen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob Kultur tatsächlich ohne Formen der Aneignung, der Übernahmen von fremden Praxen entstehen und existieren kann.
Der Musikjournalist und Autor Jens Balzer fragt in seinem aktuellen Band ETHIK DER APPROPRIATION daher vor allem nach einem ethischen Verhältnis zur Praxis der Aneignung. Gibt es produktive, gar begrüßenswerte Formen der Aneignung? Was sind Formen der Appropriation, die bei genauerem Blick fragwürdig erscheinen und aus ethischen Gründen abzulehnen sind? Diese Fragen treffen in der Diskussion auf die antirassistischen, machtkritischen, postkolonial geprägten Positionen der Forscherin, Kuratorin und Kulturproduzentin Tonica Hunter.
- Moderation Martina Fladerer
In der Reihe POP UND POLITIK vermisst die ARGEkultur seit 2020 in loser Folge die Spannungsfelder zeitgenössischer Popmusik. Bislang haben wir mit Kid Pex und Jens Balzer über Verantwortung, mit Ted Gaier ('Die Goldenen Zitronen') über Protest und mit Heidi Süß und Tobias Ginsburg über Gender und Geschlecht im Rap gesprochen. Der Talk mit Tonica Hunter und Jens Balzer ist die dritte Ausgabe von POP UND POLITIK.
Hinweis
Wir verwenden die Begriffe 'Schwarz' (in Großschreibung) und 'weiß' (in kursiver Schrift) nicht als Beschreibung von Hautfarben. Stattdessen markieren diese Schreibweisen die historischen, in Verbindung mit sozialen, kulturellen und biologischen Dimensionen entstandenen Zuschreibungen und Konstrukte.
Weitere Informationen zu diskriminierungssensibler Sprache finden Sie im Glossar auf der Website des Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit.
Tonica Hunter
ist eine DJ, Kuratorin und Kulturproduzentin aus London, die seit 2014 in Wien lebt. Seit sie 2014 nach Wien gezogen ist, hat sie ihr Portfolio als freiberufliche Kuratorin für Diskurs, Musik / Performance und visuelle Kunst aufgebaut. Sie hat verschiedene Kollektive (Sounds of Blackness, Series:Black) und Projekte in Wien (mit-)gegründet und kuratiert, die Schwarze Künstler*innen in den Mittelpunkt stellen und Kunst nutzen, um den sozialen Raum neu zu definieren, während sie zu Gesprächen und Überlegungen zu Inklusion und Intersektionalität sowie zum Zugang zum Kultursektor in Österreich beiträgt. Ihre Arbeit umfasst Institutionen wie die UNESCO Österreich, die Universität für angewandte Kunst Wien, das Weltmuseum, das Tanzquartier Research Lab, Stand129, Kulturen in Bewegung und MDW, um nur einige zu nennen. Seit 2021 sitzt sie im Beirat für Frauendomane als Expertin für Kunst und Kultur und im BMKÖS-Beirat für Kulturinitiativen.
tonicahunter.com
Jens Balzer
1969 geboren, lebt in Berlin. Er ist Autor im Feuilleton von DIE ZEIT und Kolumnist für radioeins. Gemeinsam mit Tobi Müller kuratiert er den monatlichen Popsalon am Deutschen Theater Berlin. Er hat zahlreiche Bücher zur Kulturtheorie und Gesellschaftsgeschichte verfasst. Zuletzt erschienen: POP UND POPULISMUS (Edition Körber, Hamburg 2019), DAS ENTFESSELTE JAHRZEHNT. SOUND UND GEIST DER 70ER (Rowohlt Berlin 2019), HIGH ENERGY. DIE ACHTZIGER _ DAS PULSIERENDE JAHRZEHNT (Rowohlt Berlin 2021), SCHMALZ UND REBELLION. DER DEUTSCHE POP UND SEINE SPRACHE (Dudenverlag, Berlin 2022) und ETHIK DER APPROPRIATION (Matthes & Seitz, Berlin 2022).