gold extra „Frankenstein“ | Yuri Ancarani „Da Vinci“
Sneak Preview zum Robotertheaterstück der österreichischen KünstlerInnengruppe und außergewöhnliche Einblicke in die Welt der Roboterchirurgie.
ARGE medienkunst
basics festival 2014
„Frankenstein“ führt mit selbst gebauten Robotern und technischen Apparaten in die nicht all zu ferne Zukunft von Pflegerobotern und vollautomatischen Emergency Rooms, in der leider eins fehlt: Menschen. Aber wenn es nach den Maschinen geht, nicht mehr lange.
gold extra geben in einem Talk erste Einblicke in ihre neueste Arbeit, die im Herbst 2015 ihre Österreich-Premiere feiern wird.
Die ebenfalls an diesem Abend präsentierte Videoarbeit „Da Vinci“ gibt spektakuläre Einblicke in die Funktionsweise des gleichnamigen Operationsroboters.
In einer Welt ohne Menschen bleiben Roboter zurück, die operiert, analysiert und Fieber gemessen haben und nun durch leere Krankenhausflure rollen. Es war eine schöne Verbindung: Menschen gehen kaputt, Roboter nähen sie in Krankenhäusern wieder zusammen. Was aber, wenn keine mehr zum Reparieren da sind, sich selbst welche bauen? Diese Frage erforscht gold extra mit dem Robotertheaterstück „Frankenstein“.
In einem Vortrag geben Sonja Prlic, Karl Zechenter und Walter Schacherbauer erste Einblicke in das Stück, das im Herbst 2015 in der ARGEkultur seine Österreich-Premiere feiern wird.
Bis dahin werden wir uns vielleicht noch ein Stück mehr an Roboter gewöhnt haben und damit können wir schon heute beginnen: Denn, dass die Roboter zu uns in den Haushalt, ins Krankenhaus und in die Küche kommen, ist eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, die die Menschheit schon seit dem 19. Jahrhundert umtreibt. Satirische Magazine zeigten damals, wie Dampfmaschinen alles vom Hochrad bis zur Teekanne antreiben. In den technologiebegeisterten 1960ern hatte man erwartet, dass schon dreißig Jahre später jede Küche und jeder Haushalt über mehrere automatische Helfer verfügen würde.
Heute gibt es zumindest weltweit schon ca. 11 Millionen, die im Dienste der Menschheit schuften, die meisten davon entweder am Fließband, als Melkmaschinen oder autonomisierte Staubsauger.
Eine typische Beobachtung dabei ist, dass wir den Komfort unserer hochtechnisierten Umgebung schätzen, während wir sie zugleich misstrauisch betrachten. Im wissenschaftlichen Kontext hat deswegen in den letzten Jahren verstärkt die Forschung an Interfaces eingesetzt: Den Menschen soll die Maschine möglichst einfach und anthropomorphisiert angenehm näher gebracht werden. „Frankenstein“ setzt hier an und fragt: Wer bringt den Maschinen die Menschen näher?
Mit „Frankenstein“ schaut gold extra auch dorthin, wo uns die Roboter nahe, gefährlich nahe kommen, nämlich in die Krankenhäuser, Heime und Pflegestationen. Zuhause sollen Roboter den Menschen beim Erinnern helfen und sie vor dem Fallen schützen. Mit phantastischen Namen bestückt rollen sie im Testbetrieb durch die Flure und erinnern PatientInnen an ihre Medizin. Wenn die Teedose an der falschen Stelle steht, ist der Haushaltsrobot bislang aber oft noch überfordert.
Warum sich auch mit so etwas Gewöhnlichen aufhalten, wenn man, wie der Roboter „RoboDoc“, an Menschen im Operationssaal herum schneiden darf. Im dringenden Wunsch nach Automatisierung sind in jüngster Vergangenheit durchaus unfreiwillig beeindruckende Selbstversuche unternommen worden und – zur Beruhigung – RoboDoc ist inzwischen auch schon wieder verschwunden. Im Moment kann man sich dafür in die sicheren Arme von „da Vinci“ begeben, einem chirurgischen Alleskönner, der allerdings von einem Chirurgen gesteuert wird. Von hier zum Gothic Horror verlassener Krankenhausgänge ist es nicht weit.
„gold extra zeigt Theater der Zukunft“, schrieb Werner Thuswaldner (Salzburger Nachrichten) über „Black Box“, das erste Stück mit ferngesteuerten Maschinen. Mit „Frankenstein“ entsteht nun eine neue Arbeit, die über bisheriges ästhetisch und technisch Objekttheater hinausgeht. Alle technischen Elemente sind eigene Entwicklungen: Es entsteht innovative Kunst, die mit Humor zwischen Science Fiction, Krankenhausserie und philosophischen Fragen navigiert und den Schöpfungsakt fachgerecht in die versierten Hände von Maschinen legt. Für Frankenstein arbeiten Sonja Prlic und Karl Zechenter mit DI Dr. Walter Schacherbauer zusammen und setzen damit die erfolgreiche Kooperation fort, in der 2006 das mit dem „Offenbacher Löwe“ ausgezeichnete Robotertheaterstück „Black Box“ entstand.
über gold extra
Foto (c) Yuri Ancarani
Yuri Ancarani „Da Vinci“
Film
Roboterchirurgische Abteilung. Ein Chirurg führt eine vollständige Operation durch, indem er die Roboterbewegungen mittels Joystick steuert.
Der Film „Da Vinci“ spielt zur Gänze in einem Operationssaal und bietet eine imaginäre Reise in einen Mikrokosmos, wo äußere Hoffnungen und Erwartungen von der klaren und rationalen Objektivität der Maschinen und ChirurgInnen durcheinander gebracht werden. Der Arbeitsprozess setzt ein ungewolltes Drama in Gang, dessen Zeit sich kennzeichnet durch Warten, pathetische Momente und dem Gefühl routinierter Normalität, welches die BetrachterInnen fasziniert über die Gelassenheit und Professionalität der ÄrztInnen und des OP-Personals zurücklässt. Ancarani hat das Innovative des Da-Vinci-Systems gesucht und gefunden: Der Körper der Patientin/des Patienten wird nicht mehr direkt von den Händen der Ärztin/des Arztes berührt, sondern nur noch durch Roboterarme, diese ermöglichen Präzisionsarbeit auf kleinstem Raum. In unterkühlten Farben unternimmt der Film eine Reise ins Innere des Menschen, verzichtet dabei auf blutige Effekte und konzentriert sich auf die Gegenüberstellung von Maschinen und Innenansichten des menschlichen Körpers. Die Aufnahmen des Roboters bescheren uns aber nicht nur großartige Bilder, sondern werfen auch Fragen nach der Mensch-Maschine-Beziehung, ebenso wie einer internationalen Zwei-Klassen-Medizin auf. „Da Vinci“ schärft den Blick für Technisierungsprozesse in der Medizin, die nicht abgeschlossen sind und damit in die Zukunft weisen.
„Als ich den Operationssaal betrat, stellte ich fest, wie vielschichtig und bedeutsam die Rolle des Chirurgen ist. Dann begann ich zu filmen und stellte mir bald die Frage, ob es denn richtig sei zu zeigen, was ich sah.“ (Yuri Ancarani)
Yuri Ancarani (geb. 1972 in Ravenna) ist Videokünstler und Filmemacher. Seine Werke vermischen kontinuierlich Dokumentarfilm und zeitgenössische Kunst und zielen oft darauf ab, Bereiche zu ergründen, welche nicht sichtbar sind in der alltäglichen Realität, die der Künstler zuvor erkundet hat. galleriazero.it/it/node/281
Awards
Best International Short Film, „RIDM – Montreal International Documentary Festival“, Montreal, Canada
Short Film Grand Prize, „IndieLisboa, 10th International Independent Film Festival“ Lisbon, Portugal
www.davinciflm.it