YDP II – Bastian Kraft "Jedermann"
nach Hugo von Hofmannsthal. Neuinszenierung. Koproduktion mit dem Thalia Theater Hamburg. Mit englischen Übertiteln.
Wenn ich jetzt, in diesem Augenblick, die Bilanz meines Lebens ziehen müsste – wie fiele sie aus? Wenn ich heute sterben würde, was bliebe unterm Strich übrig? Da wir den Tod weitgehend aus unserem Alltag verdrängt haben, stellt sich die Frage nur selten. Doch sie trifft den wunden Punkt unseres Daseins in Reichtum und grenzenloser Freiheit: Es fehlt das Bezugssystem, wonach wir unser Leben ausrichten sollen. Denn wer kann mir sagen, wofür es sich letztendlich zu leben lohnt? Für Geld und Beruf? Für Familie, Freunde, Liebe? Für das Glück im Hier und Jetzt?
Der „Jedermann“ als literarisches Mysterienspiel antwortet mit christlicher Überzeugung: Es sind unsere Werke, die am Ende zählen. Doch welche Gültigkeit hat diese Antwort für den, der vom Glauben abgefallen ist? Heute erkennen wir Gott und Teufel klarer denn je als Theaterfiguren, die vom Menschen erfunden wurden, um sich selbst eine sinnstiftende Geschichte zu erzählen. Dass jedoch der Tod mehr ist als eine Theaterfigur, daran kommt auch der weltlichste Zweifler nicht vorbei. Wie also füllen wir die Lücke, die das Wegbrechen der Religion in unserem Leben hinterlassen hat? Dass der Kapitalismus ein unbefriedigender Ersatz sei, wird bereits von Hofmannsthal beklagt.
Es bleibt „Jedermann“ (und jeder Frau) heute nichts Anderes übrig, als die Antwort in sich selbst zu suchen. Unsere Skepsis gegenüber allen von außen vorgegebenen Heilslehren führt zum kaum erfüllbaren Anspruch an das Selbst, aus sich heraus, ohne fremde Hilfe, den richtigen Weg zu finden. Und so ist der moderne Mensch auf die eigene Person zurückgeworfen: Er muss das Göttliche, wenn er es sucht, in sich suchen, und alle Figuren seines persönlichen Mysterienspiels aus sich selbst erwachsen lassen.
Ausgerüstet mit Hofmannsthals Text und weltlichem Theaterzauber tritt der Schauspieler Philipp Hochmair für diese Solo-Version des „Jedermann“ in einen vielstimmigen Dialog mit sich selbst.
- Konzept und Regie Bastian Kraft
- Bühne und Video Peter Baur
- Kostüme Dagmar Bald
- Dramaturgie Beate Heine
- Musik Simonne Jones
- Schauspiel Philipp Hochmair