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Kritik • 30.04.2010 • Bernhard Flieher, Salzburger Nachrichten

Attwenger: Die Wurzel allen Wirbels

Hans-Peter Falkner und Markus Binder spielen pure Volksmusik und zeigen so, wie aus ihnen Attwenger werden konnte.

Die Tuba wird verdächtigt. Es pumpert im Lautsprecher, weil etwas gegen ein Mikrofon schlägt. Der Täter ist aber der Luftzug aus dem Akkordeon, der - kräftig hinausgequetscht - das Störgeräusch erzeugt. "Das ist, weil ich so a Kraft hab beim Spiel'n", sagt Hans-Peter Falkner. "Aber es geht doch ned um Kraft", entgegnet Markus Binder. In dem Dialog liegen Wahrheit und Idee eines Konzerts, das die beiden, bekannt als Attwenger, in der ARGEkultur spielen. Dieses Mal gastieren sie als "die Goas". Freilich spielt Falkner kräftig und virtuos. Sein Spiel unterstützt aber nicht den energetischen Wirbel, den Attwenger zwischen Popkontext und Landlertanz erzeugen. Beide rühren, entspannt sitzend, in einem Teil der Ursuppe, aus der Attwenger wurde: oberösterreichische Volksmusik. Zuerst war "die Goas" und daraus wurde Anfang der 1990er-Jahre Attwenger, eine der intelligentesten und im Stil eigenständigsten Bands des Lan-des.

Eine Seltenheit sind die Auftritte als "die Goas". "Wir haben da keinen Plan. Manchmal lädt uns halt wer ein", sagt Falkner. Das sorgt anfänglich auch in Salzburg im Publikum für Unsicherheit: Sitzplätze auf Bühne und im Saal statt Tanzboden. Binder arbeitet nicht am Schlagzeug, sondern lässt die Basstuba bedächtig brummen. Die beiden Herren demonstrieren nicht ihre schweißtreibende Popseite, sondern ihre Leidenschaft zu Gstanzln, Landlern und Zwiefachen. Damit werden die Wurzeln freigelegt, aus denen Attwenger wuchsen.

Gerade das Wesen eines Zwiefachen hilft dabei, einen bedeutenden Aspekt des attwengerischen Schaffens zu erklären. Beim Zwiefachen wird ein gerader und ein ungerader Takt in einem Lied gespielt. Das erzeugt einen Energiesturm, bei dem sich Fragen nach dem Nebeneinander, Miteinander oder Füreinander aufheben. Es regiert pure Spiellust.

Womöglich liegt in der Ernsthaftigkeit, mit der Binder und Falkner bei allem Spitzwitz ihren ungewöhnlichen Heimatsound liefern, der Grund für anfängliche Irritation - vor allem bei Zuhören, die den doppelten Boden attwengerischer Kunst schätzen: "die Goas" verzichtet auf ironische Brechung, bringt höchstens subtile Verfeinerungen an (etwa die Übersetzung des Mühlviertler Gstanzls "da dafreade" ins Hochdeutsche und Englische). Sonst wird hier aber Ernst gemacht. Die Wurstigkeit, mit der die beiden ihren Auftritt moderieren, dient niemals als Stilmittel, sondern ist von jeher eine Haltung, die Binder und Falkner auszeichnet: Was zählt, ist nicht, was gesagt wird, sondern wie es klingt.

© Bernhard Flieher, Salzburger Nachrichten

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